HGB: Altersvorsorge d. Unternehmer nicht immer auf Ausgleichsanspruch anzurechnen

Der Bundesgerichtshof hat das gesetzliche Leitbild des "unantastbaren" Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters bestätigt. Dieser Ausgleichsanspruch,der aus den erzielten Provisionen des Handelsvertreters über einen gewissen Zeitraum berechnet wird, soll dem Handelsvertreter als Zukunftssicherung, in der Regel als Altersvorsorge, dienen.

In den zwei nachfolgend erwähnten Entscheidungen hat der BGH unmißverständlich klargestellt, dass es keine Möglichkeit gäbe diesen Ausgleichsanspruch in irgendeiner Hinsicht vertraglich zu beschränken oder Vereinbarungen zu treffen, die im Ergebnis auf eine Beschränkung oder einen Ausschluß des Ausgleichsanspruchs hinzielten.

Allerdings könnten Leistungen des Unternehmers zur Altersvorsorge des Handelsvertreters, der für das Unternehmen tätig ist, in die "Billigkeitsprüfung" einbezogen werden. Dies ergäbe sich aus der funktionalen Ähnlichkeit zwischen Altersvorsorge und Ausgleichsanspruch. Eine solche Prüfung ist jedoch stets nur Einzelfall vorzunehmen und das Ergebnis ist nicht für andere, ähnlich gelagerte Fälle übertragbar.

Es ist zu erwarten, dass Altersvorsorgemodelle von Unternehmern, die Handelsvertreter beschäftigen, an Attraktivität verlieren, da das Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung kaum vorhersehbar ist und nach diesem Urteil zu erwarten ist,dass der Beitrag des Unternehmers zur Altersvorsorge des Handelsvertreters kaum je im vollem Umfang berücksichtigt wird.

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Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 120/2002 vom 20.11.02

Zur Anrechenbarkeit einer vom Unternehmer finanzierten Altersversorgung auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters

Der unter anderem für das Handelsvertreterrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte in zwei Verfahren darüber zu entscheiden, ob die in einem formularmäßig abgeschlossenen Versicherungsvertretervertrag enthaltene Klausel, nach welcher in Höhe des Kapitalwertes bzw. Barwertes einer vom Versicherungsunternehmen finanzierten Versorgung "aus Billigkeitsgründen kein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB entsteht", wirksam ist.

Dabei war die vorgenannte Klausel nebst weiteren damit in Zusammenhang stehenden Vertragsklauseln Gegenstand einer Verbandsklage; in einem zweiten Verfahren begehrte der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertreterverhältnisses im Wege der Individualklage Zahlung des von dem Versicherungsunternehmen von seinem Ausgleichsanspruch in Abzug gebrachten Rentenbarwertes. Die Vorinstanzen haben der Verbandsklage stattgegeben, der im zweiten Verfahren geltend gemachte Zahlungsanspruch des Handelsvertreters ist abgewiesen worden.

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Der Bundesgerichtshof hat in beiden Fällen die Revision der jeweils unterlegenen Partei zurückgewiesen. Zur Begründung des im Verbandsklageverfahren ergangenen Urteils hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die beanstandeten Klauseln verstießen gegen die Bestimmungen des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 HGB und seien wegen Nichtbeachtung dieser zwingenden gesetzlichen Vorschriften nach § 9 Abs. 1 AGBG - jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB - unwirksam. Gemäß § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB könne der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nicht im voraus ausgeschlossen werden; auch Abreden, durch die der Ausgleichsanspruch im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt werde, seien verboten.

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Die beanstandeten Klauseln enthielten nicht nur eine Vereinbarung darüber, daß der Barwert der vom Versicherungsunternehmen finanzierten Versorgung - auch bei langer Wartezeit - in die Billigkeitsprüfung des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB einbezogen werden solle. Vielmehr werde unter Verzicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Billigkeitsprüfung der Ausgleichsanspruch ganz oder teilweise ausgeschlossen und damit die gebotene einzelfallbezogene Billigkeitsabwägung in diesem Umfang untersagt.

Ob die mit Mitteln des Unternehmens aufgebrachte Altersversorgung bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen sei, könne nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Durch eine Vereinbarung unter Ausschluß anderer Billigkeitsgesichtspunkte dürfe eine solche Anrechnung dagegen nicht im voraus zwingend angeordnet werden.

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In dem anderen Verfahren (Individualprozeß) hat der Bundesgerichtshof dementsprechend ebenfalls die dort getroffene formularmäßige Anrechnungsklausel als unwirksam angesehen. Soweit das Oberlandesgericht die von dem Versicherungsunternehmen finanzierte Altersversorgung im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB berücksichtigt und in Höhe des Barwertes von dem Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters abgesetzt hat, ist dies vom Bundesgerichtshof gebilligt worden.

Er hat darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine vom Kläger finanzierte Altersversorgung wegen der "funktionellen Verwandtschaft zwischen Ausgleichsanspruch und Altersversorgung" auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden kann, wenn und soweit die ungekürzte Zuerkennung des Ausgleichsanspruchs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles unbillig wäre. Trotz der erheblichen Fälligkeitsdifferenz zwischen Ausgleichsanspruch einerseits und Altersversorgung andererseits hat der Bundesgerichtshof eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs bejaht, weil dies zwischen den Parteien vertraglich vereinbart worden war.

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Obwohl mit Rücksicht auf den Unabdingbarkeitsgrundsatz gemäß § 89 b Abs. 4 Satz 1 HGB eine solche Vereinbarung ungeeignet war, im voraus eine Minderung des Ausgleichsanspruchs zu bewirken, hätten die Parteien durch ihr Einverständnis bei Vertragsschluß jedenfalls zum Ausdruck gebracht, was sie für der Billigkeit entsprechend erachteten. Diesen Umstand habe das Berufungsgericht im Rahmen der von ihm zu treffenden Billigkeitsentscheidung zum Nachteil des Handelsvertreters, obwohl dieser bei Vertragsbeendigung erst 43 Jahre alt gewesen sei, berücksichtigen dürfen.

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Es dürfe nicht übersehen werden, daß der Unternehmer bei einer Finanzierung der Altersversorgung eine dem Handelsvertreter obliegende Aufgabe übernehme, der anderenfalls die dafür erforderlichen Aufwendungen aus seinem laufenden Einkommen bestreiten müßte. Schließlich verringere sich mit ansteigender Fälligkeitsdifferenz der zu berücksichtigende Rentenbarwert, so daß damit der Ausgleichsbetrag entsprechend weniger gekürzt werde.

Urteile vom 20. November 2002 - VIII ZR 146/01 und VIII ZR 211/01

Karlsruhe, den 20. November 2002

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