Wenn der Betriebsrat schläft

Es geht im vorliegenden Fall um die Kündigung eines Mitarbeiters, vor deren Auspruch der Betriebsrat binnen Wochenfrist Stellung nehmen sollte. Dies hat der Betriebsrat nicht getan, bzw. versäumt und versuchte die Kündigung über den Behelf des Ausspruchs der Kündigung vor Ablauf der Stellungnahmefrist unwirksam zu machen. Da der Arbeitgeber zwar zum Ablauf des Geschäftstages die Kündigung in die Hände eines Kurierdienstes gab, jedoch noch Einfluss auf die Zustellung am nächsten Tag nehmen konnte, wurde die Klage zurecht abgewiesen. Es ist daher für Arbeitgeber empfehlenswert, fristwahrende Kündigungsschreiben per Kurier zu schicken, sollte die Anhörungsfrist des Betriebsrats formal noch nicht abgelaufen sein.

Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 08.04.2003
Betriebsratsanhörung vor der Kündigung

Der Kläger war seit 2. Mai 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 31. August, dem zuständigen Betriebsausschuß am 3. September 2001 zugegangen, hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers an. Nachdem der Betriebsrat bis dahin zu der Kündigungsabsicht keine Stellung genommen hatte und am 10. September bei Dienstschluß auch nicht mehr zu erreichen war, ließ die Personalleiterin der Beklagten das Kündigungsschreiben fertigen und übergab es am 10. September um 17.00 Uhr einem Kurierdienst. Es wurde dem Kläger auftragsgemäß am 11. September um 10.00 Uhr zugestellt. Nach einer Auskunft des Kurierdienstes hätte die Zustellung auf eine entsprechende telefonische Order der Beklagten hin noch am Vormittag des 11. September verhindert werden können.

Der Kläger macht geltend, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere sei die Kündigung schon vor Ablauf der Anhörungsfrist ausgesprochen worden. Die Beklagte vertritt demgegenüber die Ansicht, das Kündigungsschreiben habe nicht schon durch die Übergabe an den Kurierdienst, sondern erst mit Zustellung an den Kläger ihren Machtbereich verlassen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Das Anhörungsverfahren muß deshalb regelmäßig entweder durch abschließende Stellungnahme des Betriebsrats oder Ablauf der einwöchigen Anhörungsfrist abgeschlossen sein, ehe der Arbeitgeber die Kündigung erklärt. Der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, innerhalb der gesetzlichen Frist auf den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers Einfluß zu nehmen. Diesem Sinn und Zweck des Gesetzes ist auch dann noch Genüge getan, wenn der Betriebsrat am letzten Tag der Anhörungsfrist bei Dienstschluß noch nicht Stellung genommen hat und der Arbeitgeber dann das Kündigungsschreiben mittels eines Kurierdienstes, der zurückgerufen werden kann, an den auswärtigen Arbeitnehmer zur Zustellung am nächsten Tag auf den Weg bringt. Zwar könnte der Betriebsrat - was hier nicht geschehen ist - theoretisch noch am letzten Tag der Anhörungsfrist bis 24.00 Uhr zu der Kündigungsabsicht Stellung nehmen. Wenn der Arbeitgeber aber sicherstellt, daß er in dem wenig wahrscheinlichen Fall einer nachträglichen Stellungnahme des Betriebsrats auf dessen Argumente noch reagieren und den Zugang des Kündigungsschreibens verhindern kann, behält der Betriebsrat eine hinreichende Einflußmöglichkeit auf die Entscheidung des Arbeitgebers.

BAG, Urteil vom 8. April 2003 - 2 AZR 515/02 -

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