Aufklärungspflicht des Arztes über Nebenwirkungen

Der BGH hat festgestellt, dass eine Aufklärungspflicht des Arztes dann besteht, wenn Nebenwirkungen eines Medikaments schwerwiegende Folgen für den Patienten haben können. Der Patient sei insoweit nicht auf die Gegenanzeigen und Warnhinweise der Packungsbeilage zu verweisen.

Damit bestätigt der BGH seinen bisherigen Kurs in der Rechtsprechung über die Aufklärungspflicht der Ärzte. Regelmäßig vertraut der Patient seinem Arzt aufgrund des beim Arzt vermuteten überlegenen Fachwissens dahingehend, dass der Arzt ihn vor schwerwiegenden Folgen einer Medikamentierung schützt oder ihn wenigstens auf die damit verbundenen Risiken aufmerksam macht. Wo dies nicht der Fall ist, ist der Arzt mangels genügender Aufklärung des Patienten für eventuelle Schäden haftbar.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 48/2005 vom 15.03.05

Aufklärungspflicht des Arztes über Nebenwirkungen von Medikamenten

Der u.a. für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage der Hinweispflicht des behandelnden Arztes über schwerwiegende Nebenwirkungen von verordneten Medikamenten entscheiden.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz nach einer ärztlichen Behandlung durch eine Gynäkologin. Diese verordnete der 1965 geborenen Klägerin, welche eine Raucherin war, im November 1994 das Antikonzeptionsmittel "Cyclosa", eine sog. Pille der dritten Generation, zur Regulierung ihrer Menstruationsbeschwerden. Die Klägerin nahm daraufhin das verordnete Medikament seit Ende Dezember 1994 ein. Im Februar 1995 erlitt sie einen Mediapartialinfarkt (Hirninfarkt, Schlaganfall), der durch die Wechselwirkung zwischen dem Medikament und dem von der Klägerin während der Einnahme zugeführten Nikotin verursacht wurde.

Ausweislich der dem Medikament beigefügten Gebrauchsinformation bestand bei Raucherinnen ein erhöhtes Risiko, an zum Teil schwerwiegenden Folgen von Gefäßveränderungen (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) zu erkranken. Dieses Risiko nahm mit zunehmendem Alter und steigendem Zigarettenkonsum zu. Deshalb sollten Frauen, die älter als 30 Jahre waren, nicht rauchen, wenn sie das Arzneimittel einnahmen.

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch abgelehnt. Auf die Revision der Klägerin hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat dazu ausgeführt:

Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin über die mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren. Unter den hier gegebenen Umständen reiche der Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht aus. In Anbetracht der möglichen schweren Folgen, die sich für die Lebensführung der Klägerin bei Einnahme des Medikaments ergeben konnten und auch später verwirklicht haben, habe auch die Beklagte als das Medikament verordnende Ärztin darüber aufklären müssen, daß das Medikament in Verbindung mit dem Rauchen das erhebliche Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls in sich barg. Nur dann hätte die Klägerin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und sich entweder dafür entscheiden können, das Medikament einzunehmen und das Rauchen einzustellen, oder wenn sie sich als Raucherin nicht in der Lage sah, das Rauchen aufzugeben, auf die Einnahme des Medikaments wegen des bestehenden Risikos zu verzichten.

Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses zwar ebenfalls von einer bestehenden Aufklärungspflicht der Ärztin ausgegangen ist, aber mit einer widersprüchlichen Begründung, die der revisionsrechtlichen Prüfung nicht standgehalten hat, eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in die Verordnung des Medikaments angenommen hat.

Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 289/03

LG Schwerin - 7 O 42/98 ./. OLG Rostock - 8 U 44/03

Karlsruhe, den 15. März 2005

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