Begrenzung der steuerlichen Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten?

§ 33c EStG sieht vor, dass Alleinerziehende oder Elternteile, die beide berufstätig sind, erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten als Sonderausgabe abziehen dürfen,wenn der Betreuungsfreibetrag von Eur 1548,- überstiegen wird. Eine ähnliche Regelung gab es von 1997 bis 1999, die Gegenstand dieses Verfahrens war. In dieser Regelung war jedoch noch eine "zumutbare Belastung" aufgeführt, die Alleinerziehenden nicht die Geltendmachung der Gesamtbetreuungskosten ermöglichte, sondern davon einen Teil abzog. Das Bundesverfassungsgericht hat die im Streit stehende ältere Regelung für nichtig erklärt. Eltern und Alleinerziehende dürften nach Artikel 6 GG nicht gegenüber Kinderlosen benachteiligt werden, was aber hier faktisch geschah, weil erwerbsbedingte Sonderausgaben teilweise nicht angerechnet wurden.

Ob und wie sich das auf die aktuelle Regelung auswirkt, ist derzeit noch offen, weil die im Streit befindliche Klausel zum 31.12.1999 aufgehoben wurde. Betroffene Eltern sollten sich jedoch über Anrechnungsmöglichkeiten für die Jahre 1997 bis 1999 informieren.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 42/2005 vom 24. Mai 2005

Begrenzung der steuerlichen Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten Alleinerziehender verfassungswidrig

Das Gebot horizontaler Steuergleichheit und das Verbot der Benachteiligung von Eltern gegenüber Kinderlosen verbieten es, die einkommensteuerliche Freistellung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten alleinerziehender Elternteile um eine zumutbare Belastung zu kürzen. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:
Nach § 33c Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) können Alleinstehende ihre erwerbs- oder krankheitsbedingten Kinderbetreuungskosten bis zu einem bestimmten Höchstbetrag (§ 33c Abs. 3 EStG) als außergewöhnliche Belastungen steuerlich absetzen. Durch das Jahressteuergesetz 1997 wurde § 33c Abs. 1 Satz 1 EStG im letzten Halbsatz dahingehend ergänzt, dass Betreuungskosten nur nach Abzug einer zumutbaren Belastung berücksichtigt werden.

Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist geschieden. Im Streitjahr 1997 erzielte sie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Ihre damals 8- jährige Tochter lebte in ihrem Haushalt. Für deren Betreuung wandte die Klägerin im Streitjahr 1997 1.820,-- DM auf und machte diesen Betrag in ihrer Steuererklärung geltend. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte nur 904,-- DM der Kinderbetreuungskosten, da es die entstandenen Aufwendungen um eine zumutbare Belastung in Höhe von 916,-- DM kürzte. Im folgenden Klageverfahren setzte das Finanzgericht Berlin das Verfahren aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob § 33c Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz EStG verfassungswidrig und daher nichtig sei, soweit Kinderbetreuungskosten erst nach Abzug einer zumutbaren Belastung berücksichtigt werden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 GG Abs. 1) gebietet, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern ("horizontale" Steuergerechtigkeit). Eine verminderte Leistungsfähigkeit durch eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind muss in diesem Vergleich berücksichtigt werden. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet es, Eltern und alleinerziehende Elternteile gegenüber Kinderlosen zu benachteiligen.

Kinderbetreuungskosten, die wegen der Erwerbstätigkeit eines allein stehenden Elternteils zwangsläufig erwachsen, mindern dessen finanzielle Leistungsfähigkeit. Kinderlose mit gleichem Einkommen haben eine solche Einbuße an finanzieller Leistungsfähigkeit nicht. Das Gebot der horizontalen Steuergleichheit sowie das Benachteiligungsverbot aus Art. 6 Abs. 1 GG gebieten daher zumindest, die durch erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten entstandene tatsächliche Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Sie müssen daher als zwangsläufige Aufwendungen der grundrechtlich geschützten privaten Lebensführung grundsätzlich in realitätsgerechter Höhe abziehbar sein.

Die Abzugsbeschränkung bei Kinderbetreuungskosten durch Anrechnung einer zumutbaren Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) lässt sich nicht unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis rechtfertigen. Mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG wäre allein eine typisierende Beschränkung vereinbar, die das Ziel verfolgt, zwar tatsächlich entstandene, aber über das notwendig zu berücksichtigende Maß hinaus gehende Kinderbetreuungskosten vom Abzug auszuschließen. Insoweit ist der Gesetzgeber berechtigt, mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festzulegen. Dem wird die Anrechnung einer zumutbaren Belastung gem. § 33c Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 1997 nicht gerecht. Diese Anrechnung wirkt sich in allen Fällen als Kürzung der Höchstbeträge aus, in denen der Aufwand für die Kinderbetreuung die Höhe des jährlich ohne weiteres abziehbaren Pauschbetrages von 480,-- DM (§ 33c Abs. 4 EStG 1997) übersteigt, aber auf Grund des Abzugs der zumutbaren Belastung unterhalb des Höchstbetrages liegt.

Aus der Verfassungswidrigkeit der Begrenzung der Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten von Alleinstehenden folgt mit rückwirkender Wirkung die Nichtigkeit von § 33c Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz EStG 1997.

Beschluss vom 16. März 2005 - 2 BvL 7/00 -

Karlsruhe, den 24. Mai 2005

§ 33c EStG Kinderbetreuungskosten (Stand 5/2005)

(1) Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, können als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, soweit sie je Kind 1.548 Euro übersteigen, wenn der Steuerpflichtige entweder erwerbstätig ist, sich in Ausbildung befindet, körperlich, geistig oder seelisch behindert oder krank ist. Bei zusammenlebenden Eltern ist Satz 1 nur dann anzuwenden, wenn bei beiden Elternteilen die Voraussetzungen nach Satz 1 vorliegen. Bei nicht zusammenlebenden Elternteilen kann jeder Elternteil entsprechende Aufwendungen abziehen, soweit sie je Kind 774 Euro übersteigen; in den Fällen des § 32 Abs. 6 Satz 3 und 6 zweiter Halbsatz gilt abweichend davon Satz 1. Erwachsen die Aufwendungen wegen Krankheit im Sinne des Satzes 1, muss die Krankheit innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten bestanden haben, es sei denn, der Krankheitsfall tritt unmittelbar im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit oder Ausbildung ein. Aufwendungen für Unterricht, die Vermittlung besonderer Fähigkeiten, sportliche und andere Freizeitbetätigungen werden nicht berücksichtigt.

(2) Der nach Absatz 1 abzuziehende Betrag darf je Kind in den Fällen des § 32 Abs. 6 Satz 2, 3 und 6 zweiter Halbsatz 1.500 Euro und ansonsten 750 Euro nicht übersteigen.

(3) Ist das zu betreuende Kind nicht nach § 1 Abs. 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sind die in den Absätzen 1 und 2 genannten Beträge zu kürzen, soweit es nach den Verhältnissen im Wohnsitzstaat des Kindes notwendig und angemessen ist. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorgelegen haben, ermäßigen sich die in den Absätzen 1 und 2 genannten Beträge sowie der jeweilige Betrag nach Satz 1 um ein Zwölftel.

Neu geschrieben

Hauptnavigation