Zum Sonderkündigungsschutz nach §85 SGB IX und §90 Abs.2a SGB IX für Schwerbehinderte

Offenbar ist der Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX für manche attraktiv genug gewesen um einer drohenden bevorstehenden Kündigung durch Einleitung eines Anerkennungsverfahrens auf Schwerbehindertheit, bzw einer Gleichstellung mit Schwerbehinderten, zuvorzukommen.

Da bislang die Anerkennung rückwirkend erfolgte, hatten auch noch kurz vor Ausspruch der Kündigung eingereichte Anträge, so sie denn positiv für den Antragsteller beschieden wurden, Erfolg.

Dem hatte der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben, indem er so einen Antrag nur dann als erheblich ansehen wollte, wenn er mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung erfolgte. Hiermit sollte dem oben geschilderten Mißbrauch vorgebeugt werden.

Das BAG stellte klar, dass diese gesetzgeberische Wertung keine Ausnahme zuläßt. Es komme nicht auf die Schwerbehinderteneigenschaft bei Ausspruch der Kündigung an, welche ja bei rückwirkender Genehmigung immer vor Ausspruch der Kündigung gegeben war, sondern nur auf den Zeitpunkt der Antragstellung, welcher mindestens drei Wochen vor Ausspruch der Kündigung liegen müsse.

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Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 17/07 vom 01.03.2007

Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Vom Zustimmungserfordernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX). Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Auch sie sind vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen, wenn sie den Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am heutigen Tage entschieden und damit einen seit längerem bestehenden Streit um die Auslegung des § 90 Abs. 2a SGB IX beendet. Die Vorschrift war ins Gesetz eingefügt worden, um einer missbräuchlichen Erschwerung von Kündigungen zu begegnen.

Die Klägerin war seit 1995 bei der Beklagten als Arbeiterin beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 6. Dezember 2004, ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt zu haben. Kurz zuvor am 3. Dezember 2004 hatte die Klägerin bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gestellt. Dem Antrag wurde im April 2005 rückwirkend zum 3. Dezember 2004 stattgegeben.

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Im Kündigungsschutzprozess machte die Klägerin geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie am 6. Dezember 2004 bereits(rückwirkend) gleichgestellt gewesen sei und somit den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX in Anspruch nehmen könne.

Die Klage blieb vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos. Nach § 90 Abs. 2a SGB IX stand der Klägerin,obwohl sie bei Ausspruch der Kündigung einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war, kein Sonderkündigungsschutz zu. Sie hat ihren Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen, sondern nur drei Tage vor der Kündigung gestellt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 -

Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 10 Sa 502/05 -

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