Verstärkter Schutz des geistigen Eigentums?

Bekanntermaßen etwas spät hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie (für Rechte am geistigen Eigentum) beschlossen. Dieser kommt nun am 20.Juni 2007 zur Anhörung. Zeit, einen kleinen Ausblick auf die möglichen praktischen Auswirkungen dieses Gesetzesentwurfs im Hinblick auf das Urheberrecht zu wagen.

Zu den Punkten im Einzelnen

Vermutung der Urheberschaft

Die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum soll durch verschiedene Regelungen erleichtert werden: Die Urheberrechtsvermutung des §10 UrhG wird nun ausdrücklich auch auf Inhaber verwandter Schutzrechte ausgeweitet. Dies erleichtert den Betroffenen die Geltendmachung ihrer Rechte.

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Unterlassung und Schadensersatz, Beseitigung

Der neue §97 UrhG Abs. 1 präzisiert einige Anforderungen:

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

Der letzte Satz stellt eine Übernahme der bisherigen Spruchpraxis der Gerichte und der Meinungen in der Literatur dar. Soweit scheint das in Ordnung zu sein, wenden wir uns Absatz 2 zu:

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

Hier finden wir die so genannte dreifache Schadensberechnung im Urheberrecht inklusive der Lizenzanalogie vollständig gesetzlich übernommen und geregelt. Eine kleine Änderung gibt es dennoch: Der Gesetzgeber spricht von der "angemessenen" Vergütung. Die angemessene Vergütung ist aber im Wortlaut etwas anderes als die "übliche" Vergütung, welche bisher der Lizenzanalogie zugrunde lag. Eine angemessene Vergütung berücksichtigt stets die Umstände des Einzelfalls.

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Was macht jetzt der Verletzte, der vermutlich nicht alle Einzelheiten auf Seiten des Verletzers kennt, dessen Umsatz, den Umfang der rechtswidrigen Urheberrechtsverletzung?

Vielleicht - erst einmal tief durchatmen. Der Regierungsentwurf sieht anscheinend keine inhaltliche Änderung der bisherigen Praxis zu Fragen der Lizenzanalogie vor, ( siehe dort, Seite 116) denn es wird nach wie vor darauf abgestellt, was der Verletzer dem Verletzten im Falle eines fiktiven Lizenzvertrags zu zahlen gehabt hätte.

Eine kleine Unsicherheit verbleibt trotzdem: Sollte eine andere Lesart gefunden werden, steigt das Kostenrisiko des Verletzten ganz erheblich an, denn er muß sein Recht im Zweifel einklagen und seinen Anspruch mit erheblichem Risiko beziffern oder eine langwierige Stufenklage erheben oder im Wege der objektiven Klagehäufung (Feststellungs- und Schadenersatzklage) vorgehen. Das aber kann nicht Sinn einer gesetzlichen Regelung sein, welche sich der erleichterten Rechtsdurchsetzung verschrieben hat. So besteht eine gewisse Zuversicht, dass sich hier an der bisherigen Praxis nichts ändern wird.

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Zuschläge

Immerhin kann dem Regierungsentwurf entnommen werden, dass dem urheberrechtswidrig Handelnden nicht nur die fiktive Lizenzgebühr abverlangt werden kann, sondern auch andere Zuschläge, wie sie beispielsweise für die GEMA anerkannt sind und in Teilbereichen auch für professionelle Verwerter. Dies erscheint alles in allem sachgerecht. Andernfalls wäre die unberechtigte Verwendung des geistigen Eigentums Dritter mit nur geringsten Risiken verbunden.

Die Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche haben sich nicht wesentlich geändert.

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Auskunftsansprüche

Hinzu getreten ist ein gerichtlich zu erlangender Auskunftsanspruch ( §101 UrhG neue Fassung), Seiten 117 und 118 des Entwurfs, z.B. gegenüber Internetprovidern auf Bekanntgabe von Verkehrsdaten des im geschäftlichen Verkehr handelnden Verletzers, damit dieser ermittelt werden kann. Die bisherige Rechtsprechung hat unterschiedlich geurteilt, der Regierungsentwurf sieht nun eine Wertung zugunsten des Auskunftsanspruchs des in seinem Recht Verletzten vor.

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Dieser Anspruch schränkt das Fernmeldegeheimnis ein, weshalb eine richterliche Anordnung einer Auskunftserteilung tunlich ist. Freilich besteht hier eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Durchsetzung: Solange z.B. DSL-Kunden mit Flatrate nach den Grundsätzen des BDSG darauf vertrauen können, dass ihre Verbindungsdaten nur etwa sieben Tage gespeichert werden, da sie für die Abrechnung nicht benötigt werden, läuft der Anspruch ins Leere. Daher ist eine Änderung der Gesetzgebung zur effektiven Durchsetzung dieses Auskunftsanspruchs und anderer Begehrlichkeiten, z.B. von staatlicher Seite aus, zu erwarten.

Abmahnung und Abmahnkosten

Die Abmahnung ist nun auch im Urheberrecht kodifiziert. Die Regelung soll laut Begründung im wesentlichen §12 UWG entsprechen, mit einer wesentlichen Ausnahme, welche im UWG nicht vorkommt: Was passiert mit den Abmahnkosten, wenn jemand privat ein Urheberrecht Dritter verletzt?

§ 97a UhrG Abs. 2, mögliche neue Fassung
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 50 Euro.

Und zwar brutto, wohlgemerkt. Notwendige Recherchekosten können hingegen zugesetzt werden. Fragt sich, wer da noch einen Anwalt nimmt oder einen findet, der ihn für diesen Betrag vertritt. Man kann jetzt argumentieren, dass das ungerecht sei für den in seinem Recht Verletzten. Der muss sich jetzt wohl selbst vertreten. Aber schauen wir uns die Einschränkungen einmal an: Betroffen sind nur Abmahnungen gegenüber Privatleuten, der Begriff des geschäftlichen Verkehrs ist weit auszulegen: Auf Seite 118 des Regierungsentwurfs finden wir folgende Passage:

Absatz 2 beschränkt den Ersatzanspruch für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit nur unerheblicher Rechtsverletzung auf 50 Euro, sofern die Rechtsverletzung nicht im geschäftlichen Verkehr begangen wurde. Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist jede wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Markt, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszwecks zu dienen bestimmt ist. Der Begriff des geschäftlichen Verkehrs ist weit auszulegen.

Der private eBay-Verkäufer dürfte ein Grenzfall sein, der private Homepagebetreiber, der einmalig ein fremdes Bild zur Schmückung seiner Homepage verwendet, oder jemand, der seine Geburtstagseinladungen mit einem fremden Bild schmückt, fällt ganz klar unter diese Regelung. Eine unerhebliche Rechtsverletzung dürfte z.B. bei nur einem rechtswidrig vervielfältigten Werkstück vorliegen, bereits bei zwei rechtswidrig vervielfältigten Werkstücken, z.B. CD's, ist die Unerheblichkeit möglicherweise nicht mehr gegeben. Eine Routineangelegenheit im Sinne eines einfachen Falls ohne größeren Aufwand ist weitere Voraussetzung. Man wird sehen, was alles als ein "einfacher" und was als "komplexer" oder "aufwändiger" Fall betrachtet werden wird.

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Jedenfalls besteht seitens der Urheber nur ein geringes Verständnis für diese sie belastende Regelung. Andererseits ist der Anwendungsbereich wie oben geschildert sehr beschränkt und diese Ausnahme gilt nur für die erste Abmahnung und nicht für ein mögliches Verfahren. Des weiteren würden Abmahnungen ein Riegel vorgeschoben, denen man unterstellte, nur der Abmahngebühr wegen gefertigt worden zu sein, so dass diese Regelung gerade noch hinnehmbar erscheint.

Fazit

Auch zu den hier nicht besprochenen Regelungen gäbe es einiges zu sagen. Fest zu halten ist, dass der Urheber oder Rechteinhaber ein grösseres Instrumentarium zur Durchsetzung seiner Rechte erhält. Im Detail sind manche der neuen Regelungen klärungsbedürftig. Allgemein wird die Durchsetzung der Rechte der Inhaber von Rechten geistigen Eigentums deutlich gestärkt. Die wegen der Kosten mißbräuchlich erscheinenden Abmahnungen bei echten Bagatelldelikten wird ein Riegel, jedenfalls im Urheberrecht, vorgeschoben.

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