Recht zur Mietminderung bei sich verschlechternder Mieterstruktur?

Das OLG Stuttgart hatte den Fall zu entscheiden, ob gewerbliche Mietverhältnisse in einem als exklusiv benannten und als solches teuer vermietetem Bürohaus mangelhaft werden, wenn andere Mieter mit anderer, ausdrücklich nicht exklusiver Kundschaft einziehen.

Die Miete im Bürohaus lag über den ortsüblichen Höchstsätzen, was zum einen der besonders honorigen Mieterschaft als auch der guten Lage und Infrastruktur geschuldet war. Die Mieter mussten nun mit ansehen, wie ein Großteil der Büroräume an die Bundesagentur für Arbeit vermietet wurde, welche Arbeitslose und Suchtkranke in den Räumen betreute. Die Folge waren mehrere hundert Besucher am Tag, welche sich nahezu ungehindert im Gebäude und der Tiefgarage bewegten. Die ursprünglich vorhandene Sicherungsanlage war während des großen Publikumsandrangs bei den Geschäftszeiten der Agentur ausgeschaltet. Zum Schutz der eigenen Mitarbeiter der Bundesagentur war ein Sicherheitsdienst beauftragt, welcher regelmäßig patrouillierte.

Daher machten die Mieter eine Mietminderung geltend. Das OLG Stuttgart gab den Mietern zum Teil Recht. Das Mietverhältnis sei mangelhaft, weil der Vermieter etwas anderes geschuldet habe als geleistet wurde.

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Dem kann zugestimmt werden. Zunächst bestimmt der Vertrag die Verpflichtungen der Parteien, darüber hinaus ergänzend die Umstände bei Vertragsschluss. Diese Umstände, insbesondere die beworbene "Exklusivität" des Bürohauses haben sich zum Negativen für die Mieter gewandelt. Der Mieter hat nun ständigen und unkontrollierbaren Publiumsverkehr im Haus und vor seinen Räumen was vorher nicht der Fall war.

Das OLG verschließt auch die Augen vor den Realitäten nicht: Die Art des Publikums der Suchtberatungsstelle, der Schuldnerberatung und der Langzeitarbeitslosen enthalte überdurchschnittlich viel "sozial auffällige" Personen und entspreche somit nicht durchschnittlichen Anforderungen.

Dem mag man hinzufügen dass die Einschaltung eines Sicherheitsdienstes zum Schutz des eigenen Personals der Bundesagentur diese Einschätzung bestätigt.

Letztlich haben die Mieter aber nicht die verlangten 50% Mietminderung erhalten, sondern "nur" 15%. Das OLG hat die Revision zugelassen.

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Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart von 28.12.2006

Recht zur Mietminderung bei sich verschlechternder Mieterstruktur

Kurztext:

Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat in einem Urteil vom 21.12.2006 (13 U 51/2006) entschieden, dass Qualität und Quantität des Besucherverkehrs von Mitmietern als Mangel im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses bewertet werden können.

Die Beklagte hat von der Klägerin Büroräume angemietet. Diese hatte dafür geworben, dass sie Büroräume mit exklusivem Ambiente in außergewöhnlicher Lage anzubieten habe. Der Mietzins lag über dem Höchstsatz des örtlichen Mietspiegels für Gewerbeobjekte. Andere Mieter sind eine Versicherungsgruppe, eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei und eine Arztpraxis. Der Zugang zum Gebäude war nur mit einer Codekarte oder durch Anmeldung über die Sprechanlage möglich.

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Später hat die Agentur für Arbeit mehrere Etagen des Hauses für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen und arbeitsfähigen Sozialhilfeempfängern („Hartz IV -Abteilung“) sowie für eine Suchtberatungsstelle und eine Schuldnerberatung angemietet. Dort verkehren täglich bis zu 500 Besucher; die Zugangskontrollanlage kann diesen Besucherverkehr nicht mehr bewältigen. Die Eingangstür steht deshalb zu den Öffnungszeiten der Agentur für Arbeit offen.

Zum Schutz ihrer eigenen Mitarbeiter hat die Agentur für Arbeit einen Sicherheitsdienst beauftragt, der auf den Fluren innerhalb der angemieteten Stockwerke patroulliert.

Der Mieter macht eine Mietminderung von 50 % geltend, da die Anzahl und das Verhalten der „Hartz IV- Behörde“ Besucher negative Auswirkungen auf das Mietobjekt habe. Die fehlende Zugangskontrolle führe dazu, dass unangemeldete Besucher der Behörde auch vor den Büros und Praxen erschienen und sich auch in der Tiefgarage aufhalten.

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Nach Auffassung des Senats ist eine Mietminderung von 15% angemessen. Die Mietsache sei mängelbehaftet. Der Betrieb einer Zugangskontrollanlage sei vertraglich geschuldet. Die Außerbetriebnahme sei von den Mietern auch nicht akzeptiert worden. Eine vergleichbare Sicherheitslage sei auch nicht durch eine an der Drehtüre postierte Person geschaffen worden.

Der Vermieter schulde hier die Vermietung der übrigen Flächen an solche Mitmieter, deren Besucherverkehr in quantitativer Hinsicht einem Bürobetrieb entspreche und durch eine Zugangskontrollanlage in Verbindung mit der Türsprechanlage bewältigt werden könne.

Auch in qualitativer Hinsicht müsse der Besucherverkehr zumindest den durchschnittlichen Anforderungen gerecht werden. Der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart führt aus: „Zwar verkennt der Senat nicht, dass ein erheblicher Teil der Besucher dem Durchschnitt der Bevölkerung entspricht. Es können aber auch nicht die Augen davor verschlossen werden, dass sich unter den Besuchern des Hartz- IV-Abteilung, der Suchtberatungsstelle und der Schuldnerberatung ein überdurchschnittlicher Anteil von sozial auffällig gewordenen Personen befindet .“

Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

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