Pflichtangaben auf Webseiten im Klartext oder als Grafik?

Das OLG Frankfurt hat am 17.11.2007 einen Fall entschieden, Az: 6 W 203/06, der sich mit Pflichtabgaben im Fernabsatz beschäftigte. Angegriffen wurde ein Anbieter, der eine nach §312c BGB erforderliche Widerrufsbelehrung lediglich als Grafik hinterlegt hatte. Sein Angebot wurde ausdrücklich als auch für den WAP-Nutzung nutzbar beworben. Gerade bei der Nutzung des WAP-Dienstes aber wurde die Grafik nicht angezeigt. Die Folge: WAP-Nutzer wurden nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt. Das Oberlandesgericht Frankfurt nahm daraufhin an, dass das Weglassen der Grafik jedenfalls dann unzulässig sei, wenn das Angebot insbesondere auch auf eine WAP-Nutzung ausgerichtet ist. Trifft das nun auf alle Pflichtangaben zu?

Für die Beantwortung dieser Frage gibt das Urteil nicht allzuviel her. Nähern wir uns der Problemlösung auf zwei Wegen, nämlich über die Fragen, ob überhaupt ein rechtlich relevanter Bedarf an einer Klartextinformation besteht und ob die bisherige Gesetzeslage die Seitenbetreiber bindet, und wenn ja, in welcher Form.

nach oben

Wer hat überhaupt Bedarf an einer Darstellung im Klartext?
Das Internet ist seit Jahren keineswegs mehr nur Spielwiese für Computerinteressierte. Die Nutzung des Internets ist für die weit überwiegende Mehrheit der Bürger selbstverständlich geworden und Teil des Alltags. Daraus erwächst im Gegenzug die Verpflichtung der Anbieter, auf die gestiegenen Anforderungen Rücksicht zu nehmen, denn die Absatzaussichten bzw. Verbreitungsmöglichkeiten der an die Allgemeinheit gerichteten Informationen sind im gleichen Maße gestiegen. Diese Verpflichtung wird nur durch das Kriterium der Unzumutbarkeit beschränkt.

Man darf wohl von rund einer halben Million blinden und stark sehbehinderten Menschen in Deutschland ausgehen. Diese können Texte auf Internetseiten in der Regel nicht visuell erfassen, sondern benötigen besondere Geräte hierfür.

Das können Bildschirmleseprogramme sein, so genannte Screenreader, oder Braille-Zeilen, die dem sehbehinderten Nutzer taktil die vorhandene Textinformation vermitteln.

Mit einer Grafik fangen beide Alternativen nichts an, Blinde oder stark Sehbehinderte sind von solchen per Grafik vermittelten Informationen ausgeschlossen. Selbst wenn ein Sehbehinderter über eine Bildschirmlupe verfügen würde, könnte die Grafik wohl kaum ausgelesen werden, denn diese wird mit zunehmender Anzeigegröße immer weiter in ihre Bestandteile aufgelöst, so dass der einzelne Buchstabe nicht mehr kenntlich sein würde. Dabei nicht erfasst ist die Mehrheit der Millionen normal fehlsichtigen Menschen, die vielleicht mit zu kleinen Schriftgrößen nicht zurechtkommt, farbenblind ist oder nur mit einer starken Brille auch kleinere Texte lesen kann. Diese Gruppe hat also Bedarf an einer vorlesbaren bzw. auslesbaren Klartextinformation.

nach oben

Muss man dieser Zielgruppe denn als Diensteanbieter gerecht werden?

Viele, vor allem größere Unternehmen bemühen sich freiwillig wenn es um ihren Umsatz geht. Hier werden zum Beispiel auch noch sehr schwach genutzte Browser unterstützt, deren Verbreitungsgrad in etwa dem Anteil der stark Sehbehinderten in Deutschland, nämlich circa ein halbes Prozent, entsprechen dürfte.

nach oben

Kleinere oder Kleinstanbieter machen sich dagegen Sorgen um ihre Privatsphäre, weil sie etwa ihre E-Mail-Adresse bei einem unerwünschten Versender von Massenmails registriert sehen. Welches Interesse hat also Vorrang und wie sehen die gesetzlichen Vorschriften dazu aus?

Für Behörden des Bundes ist das mittlerweile in der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik (BITV)) geregelt, die Länder haben für ihre Behörden entsprechende Gleichstellungsgesetze erlassen. Unternehmen und Privatleute werden hierdurch aber nicht verpflichtet.

Gemäß §5 TMG haben geschäftsmäßige Diensteanbieter aber, verkürzt gesagt, ein Impressum vorzuhalten, welches "leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar ist."

nach oben

Die leichte Erkennbarkeit bezieht sich insbesondere darauf, wo der Nutzer eines Dienstes diese Information abrufen kann, die unmmittelbare Erreichbarkeit darauf, dass die Suche nach diesen Informationen und deren Abruf nicht erschwert werden darf. Liegt eine solche Pflichtangabe als Grafik vor, wird zumindest den stark sehbehinderten Nutzern diese Pflichtangabe, nämlich das Impressum, vorenthalten.

Welche Vorschriften könnten Privatleute oder Unternehmen denn noch binden? Hinzuweisen ist auf den 1994 eingeführten Absatz 3 Satz 2 zu Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz, welcher eine Benachteiligung von Behinderten ausschließt. Ein Nachteil ist es sicherlich, wenn der Blinde oder stark Sehbehinderte nicht über seine vertragsgemäßen Rechte im erforderlichen Umfang aufgeklärt wird oder er nicht in Erfahrung bringen kann, wer denn eigentlich sein Vertragspartner oder der Anbieter der Informationen ist.

nach oben

Hierbei möchte ich auf die eigentlich unnötige Unterscheidung zwischen "Privatmann" und "Unternehmer" eingehen. Der Gesetzestext bindet auch Privatleute gemäß §10 MdStV, ihren Namen und Anschrift anzugeben, sofern die Webseite eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist. Für die Zwecke dieser Überlegungen ergibt sich also kein praktischer Unterschied. Im Übrigen mutet das oft geäußerte Ansinnen, man wolle im Internet nicht seine Adressdaten zwecks Spamvermeidung preisgeben, befremdlich an. Das Recht auf Meinungsäußerung wird nicht in Frage gestellt, allerdings das Recht von Dritten zu erfahren, wer denn diese Meinung geäußert hat.

Artikel 3 des Grundgesetzes bindet Privatleute und Unternehmen aber nicht unmittelbar, wirkt aber auf die Rechtsordnung insgesamt ein. Insbesondere sind die Bestimmungen des Grundgesetzes bei der Auslegung von Rechtsverordnungen und einfachen Gesetzen zu berücksichtigen. In diesem Licht gesehen kann sich eine Verpflichtung der Betreiber von Webseiten zur Führung eines textbasierten Impressums ergeben. Nachdem Webseiten regelmäßig Textinhalte enthalten, stellt es für den Seitenbetreiber keinen besonderen Aufwand dar, auch noch die Impressumsseite oder die Widerrufsbelehrung auf der Einkaufsseite im Klartext wiederzugeben. Hingegen ist es ein besonderer Aufwand, diese Pflichtangaben in Form einer Grafik zu verschleiern.

nach oben

Nachvollziehbare Interessen dieser Seitenbetreiber, nämlich dem Schutz vor Spam-Mails, kommt hingegen geringeres Gewicht zu: Der Gesetzgeber hat nicht zuletzt in §7 UWG festgelegt, dass Spam-Mails geahndet werden können, so dass grundsätzlich ein Schutz gegen Spam-Mails besteht.

Fazit: Es gibt gute Gründe dafür, dass Pflichtangaben auf Webseiten im Klartext vorgehalten werden müssen und nicht als Grafik hinterlegt werden dürfen. Ein Klartext ist in der Regel die einfachste Methode, Informationen zu vermitteln und regelmäßig zumutbar. Einzelinteressen haben hier hinter dem Interesse der Allgemeinheit an der Anbieterkennzeichnung zurückzustehen. Gerichtsurteile ausser dem des OLG Frankfurt zu dieser speziellen Thematik sind bisher allerdings nicht bekannt, so dass nicht von einer richtungsweisenden Entscheidung gesprochen werden kann. Es muss abgewartet werden, wie die Gerichte in der Folge entscheiden werden.

Neu geschrieben

Hauptnavigation

Sie können die Seite jetzt  oder die Druckvorschau schliessen.Tipps zu Druckeinstellungen: Link Einstellungen Internet ExplorerLink Einstellungen Mozilla FirefoxLink Einstellungen OperaLink Einstellungen Safari

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass unsere Online-Seiten, deren Teil die von Ihnen ausgedruckte Seite ist, lediglich allgemeine Informationen liefern können. Für eine verbindliche Rechtsberatung im konkreten Einzelfall wenden Sie sich bitte an uns oder an eine andere zur Rechtsberatung befugte Stelle. Vielen Dank!