Zum Auskunftsanspruch nach dem neuen §101 UrhG - Quantität und Qualität

In den letzten Wochen sind einige Entscheidungen bekannt geworden, die sich mit der Frage beschäftigen, unter welchen Umständen ein Rechteinhaber Auskunft vom Internetprovider wegen Urheberrechtsverletzung erhalten kann. Der seit 01.09.2008 geltende §101 UrhG in seiner neuen Fassung gewährt dem Rechteinhaber einen Auskunftsanspruch gegen den Provider über so genannte Bestandsdaten im Sinne von §3 Nr. 30 TKG. Damit ist folgendes gemeint:

Ist der Verletzer eines Urheberrechts nicht namentlich bekannt, z.B. über ein Impressum und oder einen Denic-Eintrag, hat der Rechteinhaber die Möglichkeit, die Anschlußinhaberdaten bezüglich der Nutzung zu einem gegebenen Zeitpunkt ( IP-Adresse) vom Zugangsprovider herauszuverlangen um so den Anschlußinhaber zu ermitteln.

Voraussetzung hierfür ist weiter die Verletzung des Urheberrechts im gewerblichen Ausmaß. Das bedeutet nun nicht, dass nur Gewerbetreibende ermittelt oder belangt werden dürften -man weiß ja vorher nicht, wer der Verletzer des Urheberrechts ist- sondern die Urheberrechtsverletzung selbst muss gewerbliches Ausmaß haben.

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Nach dem Willen des Gesetzgebers sieht das folgendermaßen aus: (Begründung zu § 101 Abs. 1 )

Um einen Gleichlauf des deutschen Urheberrechtsgesetzes mit der Richtlinie zu erreichen, wird für die Regelung des Auskunftsanspruchs der Begriff des gewerblichen Ausmaßes genutzt, den auch die Richtlinie verwendet. Nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie zeichnen sich in gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen dadurch aus, dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden. Handlungen, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden, sind hiernach in der Regel nicht erfasst.
Satz 2 stellt klar, dass das einschränkende Merkmal „gewerbliches Ausmaß“ nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte aufweist. Für den Fall der Rechtsverletzung im Internet bedeutet dies, dass eine Rechtsverletzung nicht nur im Hinblick auf die Anzahl der Rechtsverletzungen, also etwa die Anzahl der öffentlich zugänglich gemachten Dateien, ein „gewerbliches Ausmaß“ erreichen kann, sondern auch im Hinblick auf die Schwere der beim Rechtsinhaber eingetretenen einzelnen Rechtsverletzung. Letzteres kann etwa dann zu bejahen sein, wenn eine besonders umfangreiche Datei, wie ein vollständiger Kinofilm oder ein Musikalbum oder Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet öffentlich zugänglich gemacht wird.

Aus: Beschlußempfehlung des 6. Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucksache 16/8783, Seite 50, zum Gesetzesentwurf BT-Drucksache 16/5048 (Hervorhebungen durch uns)

Also: Je aktueller der Film oder die Musikdatei ist, um so eher dürfte das gewerbliche Ausmaß einer Urheberrechtsverletzung bejaht werden. Anknüpfungspunkte dürften hier

  1. die eigenständige wirtschaftliche Verwertbarkeit sein, etwa bei einem kompletten Film oder einem kompletten Album oder zumindest eines vollständigen aktuellen Hits,
  2. die Attraktivität insbesondere neuerer Werke, welche mit der besonderen Gefährdung der Absatzmöglichkeiten des Rechteinhabers korrespondiert.
  3. die Menge der urheberrechtswidrig verwendeten Werke.

Wer also nur einen Ausschnitt aus einem aktuellen Film, etwa eine bestimmte Szene, urheberrechtswidrig verwendet, handelt im Zweifel nicht im gewerblichen Ausmaß, da sich derartige Schnipsel kaum eigenständig verwerten lassen. Bei neueren Werken der Musik kann allerdings schon ein Track aus einem Album die Absatzmöglichkeiten deutlich verringern,denn dieser Track könnte als Single ausgekoppelt sein oder werden.

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Auf dieser Linie liegen alle bisher bekannt gewordenen Entscheidungen, mit Ausnahme des Beschlusses des LG Frankenthal (Beschluss v. 15.09.2008 - Az.: 6 O 325/08), welches ein gewerbliches Ausmaß erst bei 3.000 Musikstücken oder 200 Filmen annehmen wollte. Das LG Frankenthal geht hier aber einen Sonderweg, den man nicht als allzu tragfähig ansehen sollte: Bereits bei der Beurteilung von IP-Adressen als Verkehrsdaten ( und nicht Bestandsdaten) beschritt das Gericht eine einsame Strasse, von der es vom OLG Zweibrücken (Beschl. v. 26.09.2008 - Az.: 4 W 62/08) geholt wurde.

Begründetheit des Antrags auf Auskunft nach §101 UrhG

Man wird von den Antragstellern wohl verlangen müssen, das Veröffentlichungsdatum des verletzten Werkes anzugeben, ebenso das Ausmaß der Verletzung. Nur so dürfte der Antrag hinreichend inhaltlich begründet im Sinne des §101 UrhG sein. Erkennt ein Gericht auch ohne diese Hinweise auf eine Auskunftserteilung, ist der fehlerhafte Antrag gleichwohl unschädlich, da hier kein Beweisverwertungsverbot besteht.

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Keine direkte Auskunft nach §101 UrhG

In diesem Zusammenhang ist folgender Beschluß interessant: Nach einem aktuellen Beschluß des OLG Köln darf allerdings im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht der Auskunftsanspruch zuerkannt werden, da so bereits im einstweiligen Rechtsschutz das endgültige Ziel, ( Vorwegnahme der Hauptsache), nämlich die gewünschte Auskunft, erreicht würde. Vielmehr sei der Provider lediglich dazu zu verurteilen, die entsprechenden Verbindungsdaten einstweilen nicht zu löschen.

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"Das weitere Verfahren gemäß § 101 Abs. 9 UrhG würde auf diese Weise hinfällig und der damit bezweckte Schutz der datenschutzrechtlichen Interessen des am Verfahren unbeteiligten Kunden der Beschwerdeführerin könnte nicht erreicht werden." ( Quelle: Beschluß des OLG Köln vom 21.10.2008, AZ: 6 Wx 2/08)

Also müsste dem Provider erst die Löschung der Verbindungsdaten untersagt werden und sodann der Auskunftsanspruch eingeklagt werden. Was zunächst wie unnötige, zeitraubende und kostentreibende Förmelei aussieht, stellt sich im Licht obiger Überlegung ( Begründetheit des Antrags auf Auskunft) als sinnvoll heraus.

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