Urheberrecht des Architekten und Werksänderung

Der erste Senat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 19. März 2008, AZ: I ZR 166/05, dargelegt, inwieweit das Urheberrecht des Architekten Einschränkungen unterworfen sein kann. Konkret ging es um die Umgestaltung des Altarraums einer Kirchengemeinde.

Die Tochter des bereits verstorbenen Architekten machte geltend, dass der Umbau des Altarraums der 1953 erbauten Kirche das Urheberrecht ihres Vaters verletze. Derlei Werkänderungen unterliegen grundsätzlich einem Zustimmungsvorbehalt durch den Urheber oder seinen Erben, es sei denn, der Urheber könnte aus Treu und Glauben seine Zustimmung nicht versagen, §39 UrhG.

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Darauf berief sich die beklagte Kirchengemeinde. Hierzu ein Zitat aus der Pressemitteilung des BGH:

Die Beklagte hatte dargetan, dass sie sich nur deshalb für die Umgestaltung entschieden habe, um die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils in ihrer Kirche räumlich umzusetzen und die Kirchenbesucher stärker in den Gottesdienst einzubeziehen.

Nach Ansicht des BGH überwog somit das Interesse der Kirchengemeinde an einer Änderung dasjenige des (verstorbenen) Architekten an der beibehaltung seiner Werksgestaltung:

Für die Beurteilung, ob und inwieweit liturgische Gründe für eine Umgestaltung des Kircheninnenraumes bestehen, kommt es auf das Selbstverständnis der Kirchengemeinde an. Hat diese - wie im Streitfall die Beklagte - ihre Glaubensüberzeugung substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, hat sich der Staat einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten.

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Hierzu verwies der BGH ausdrücklich auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und das Grundrecht der Religionsfreiheit.

Im Rahmen einer Interessenabwägung, welche stets nur im Einzelfall erfolgen kann, stellte der BGH weiter fest:

So ist dem Schöpfer einer Kirche bewusst, dass die Kirchengemeinde das Gotteshaus für ihre Gottesdienste nutzen möchte; er muss daher gewärtigen, dass sich wandelnde Überzeugungen hinsichtlich der Gestaltung des Gottesdienstes das Bedürfnis nach einer entsprechenden Umgestaltung des Kircheninnenraums entstehen lassen. Das Interesse des Vaters der Klägerin an der unveränderten Erhaltung seines Werkes musste daher gegenüber dem mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht als besonders gewichtig zu bewertenden liturgischen Interesse der Beklagten an dem Umbau des Kircheninnenraums zurücktreten.

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Daraus wird ersichtlich, dass nicht jeder beliebige Gestaltungswunsch eine Änderung Werke anderer rechtfertigt. Es muss sich um ein gewichtiges und auch für den Urheber nachvollziehbares Interesse handeln, da auch die Interessen des Urhebers am unverfälschten Erhalt seines Werkes gewichtig sind.

Anmerkung: Der Urheber des Kirchengebäudes war bereits verstorben. Hätte er noch gelebt, wäre die Frage zu stellen gewesen,ob und inwieweit seine Beteiligung an einer Änderung notwendig geworden wäre. Wir bejahen die erste Alternative. Die Frage des "inwieweit" ist eine Sache des Einzelfalls.

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 20.03.2008

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