Persönlichkeitsrecht, Kunstfreiheit, Urheberrecht, Schadenersatz

Der Bundesgerichtshof hat einer Klägerin trotz Vorliegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts keinen Schadenersatz zugestanden. Die Begründung wägt vorbildlich zwischen den Grundrechten des Autors (Maxim Biller) und der Verletzten ab.

In seinem Urteil vom 24.11.2009, Aktenzeichen: VI ZR 219/08 urteilte der BGH, dass nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts einen Schadenersatzanspruch nach sich ziehe, tatsächlich sei dieser nur in Ausnahmefällen zu gewähren.

Verletzt ein Roman schwerwiegend das Persönlichkeitsrecht und ist deshalb ein gerichtliches Verbreitungsverbot ergangen, kann der Verletzte nur ausnahmsweise zusätzlich eine Geldentschädigung beanspruchen.

Leitsatz des Urteils VI ZR 219/08

Es geht um den Roman "Esra" von Maxim Biller, der aufgrund diverser Unterlassungsklagen der Klägerinnen nur in einer "geweißten" Fassung erscheinen durfte. Nachdem sich vorher bereits der BGH und das Bundesverfassungsgericht mit diesem Roman beschäftigt hatten und die Unterlassungsanspüche der Klägerinnen im wesentlichen bestätigt hatten, verlangten die Klägerinnen im Nachklapp einen Ausgleich in Geld für die erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Das OLG München verneinte einen Schadenersatzanspruch, was der sechste Senat des BGH bestätigte.

Die Kunstfreiheit wird in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos garantiert. Dementsprechend ist auch im Widerstreit zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht der Kunstfreiheit in besonderem Maße darauf zu achten, dass dem Künstler der verfassungsrechtlich garantierte Freiraum verbleibt. Es dürfen an den Künstler keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so die schöp-ferische künstlerische Freiheit, die Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewähr-leisten will, einschnüren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2009 - 1 BvR 134/03 Rn. 62).
Staatliche Maßnahmen dürfen nicht zu einer Einschüchterung des Künstlers und des für die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks Ver-antwortlichen führen. Das ist auch bei der Frage zu bedenken, ob im Fall eines persönlichkeitsrechtsverletzenden Kunstwerks - zusätzlich zu dem gerichtlichen Unterlassungsgebot - eine Inanspruchnahme des Künstlers auf Geldentschädigung in Betracht kommen kann. Dem Künstler darf das Risiko einer solchen Haftung jedenfalls nicht in einem Umfang zugewiesen werden, dass er sich gezwungen sähe, von künstlerischem Wirken abzusehen, den ihm von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Freiraum also nicht auszuschöpfen, wenn er bloß in die Nähe einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gerät.

Der BGH stellte weiter fest, dass der Künstler zwar fahrlässig gehandelt habe, sein Verschulden aber nicht so groß sei, dass ein Schadenersatzanspruch bestehe. Aufgrund der gegebenen Kunstfreiheit, welche bereits durch das Verbreitungsverbot des Romans erheblich eingeschränkt wurde, könne von einem Schadenersatzanspruch wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung nur ausnahmsweise ausgegangen werden und zwar dann, wenn ein besonders schweres Verschulden des Künstlers festgestellt würde.

Der Beklagte zu 2 hat die Kunstform eines Romans nicht zu einer persönlichen Abrechnung mit der Klägerin missbraucht, um diese zu beleidigen oder herabzuwürdigen.

Diesen Ausführungen des BGH ist vorbehaltlos zuzustimmen. Freilich darf nicht übersehen werden, dass viele Persönlichkeitsrechtsverletzungen ihren Ursprung nicht in einem Kunstwerk haben, sondern eher aus monetärem Interesse geschehen, etwa zur Steigerung der Verkaufsauflage einer Zeitschrift oder in der Werbung. Hier können sich die Verletzer in der Regel nicht auf die Kunstfreiheit berufen.

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