Störerhaftung im Internet am Beispiel des Filesharings

Regelmäßig bitten uns wegen Filesharings abgemahnte Ratsuchende um Beurteilung der Frage, ob sie als Inhaber eines Internetanschlusses für mögliche Urheberrechtsverletzungen ihrer Mitbewohner oder Familienmitglieder als Störer haften. Wir sagen dann ebenso regelmäßig: Das kommt darauf an. Die Tücke der Störerhaftung liegt im Detail und jeder Fall bedarf einer individuellen Prüfung. Bevor das als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen falsch verstanden wird, einige Anmerkungen dazu:

Die Störerhaftung ist für Rechteinhaber und ihre Vertreter ein recht bequemes Vehikel um ans Ziel zu kommen: Die Unterbindung einer Urheberrechtsverletzung von einem bestimmten Anschluß aus, sowie die Erlangung von Schadenersatz.
Liegt ein Fall der Störerhaftung vor, muss nämlich der eigentliche Täter nicht ermittelt werden. Die normalen Haushaltsrouter verwenden gegenüber dem Internet eine öffentliche IP und verbergen somit die internen IP's. Damit ist eine Zuordnung einer Filesharing-Aktivität von außen nicht möglich und erfordert eine Durchsuchung von Festplatten und anderen Speichermedien. Im Rahmen der Abmahnung durch den Rechteinhaber wird sodann die Störerhaftung des Anschlussinhabers behauptet.

Die Störerhaftung - die Haftung für die Störung des Rechts eines anderen - gründet auf ein Verschulden (Fahrlässigkeit) des Anschlussinhabers und wird von den Rechteinhabern durchaus eigennützig in die Nähe der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung gerückt: Wer einen Internetanschluß habe, so lautet oft die Argumentation, müsse eben unter allen Umständen dafür sorgen, dass damit kein Mißbrauch betrieben werde.

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So einfach ist das freilich nicht.

Störerhaftung aus Sicht des Bundesgerichtshofs

In seinen grundlegenden Entscheidungen aus den Jahren 2004, Aktenzeichen: 1 ZR 304/01 und 2007, Aktenzeichen: I ZR 35/04, hat sich der BGH der Frage der Störerhaftung angenommen und folgendes festgestellt:

Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt.

Wem dieser Satz unverständlich scheint, hier die Kurzübersetzung: Wer nicht selbst die Urheberrechtsverletzung begangen hat oder an einer solchen teilgenommen hat, kann trotzdem wie ein Täter in Anspruch genommen werden, wenn er die Voraussetzungen für den Urheberrechtsverstoß geschaffen hat und trotz vorliegender Anhaltspunkte keine Prüfungen oder Maßnahmen ergriffen hat, um solche Verstöße zu unterbinden.

Dieser Satz gilt auch noch heute, siehe das Urteil des BGH zur Störerhaftung vom 12.05.2010.

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Wendet man diese Rechtsprechung zur Störerhaftung auf Urheberrechtsverstöße durch Filesharing an, kommt folgendes dabei raus:
Der Anschlußinhaber eines Internetanschlusses hat die technische Voraussetzung für einen Urheberrechtsverstoß geschaffen. Ohne Internetanschluß ist ein Verstoß gegen das Urheberrecht über das Internet nun einmal nicht möglich. Man wird in der Regel davon ausgehen können, dass die Vorhaltung eines Internetanschlusses auch willentlich geschieht.

Schwieriger ist die Beantwortung der Frage, in welchem Umfang der Inhaber des Internetanschlusses verpflichtet ist, diesen regelmäßig zu überprüfen oder auf Mitbewohner oder Familienangehörige so einzuwirken, dass keine Urheberrechtsverletzung begangen wird.

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Störerhaftung: Höhere Anforderungen

Einige Gerichte, z.B. das Landgericht Hamburg, Az. 308 O 139/06, spannen die Veantwortlichkeit des Anschlusshabers recht weit, indem sie von ihm verlangen, vorsorglich und ohne konkreten Anlaß technische Maßnahmen zur Unterbindung des Filesharings zu ergreifen (Verschlüsselung eines W-Lans,Firewall, Nutzerkonten) sowie ihre Angehörigen und Mitbewohner regelmäßig zu überwachen. Es sei also bereits fahrlässig, wenn solche Maßnahmen nicht ergriffen würden. Nicht ganz so weit geht das LG Leipzig in seiner Entscheidung vom 08.02.2008, Aktenzeichen 05 O 383/08. Nach Ansicht des LG Leipzig müssten jedenfalls diejenigen Maßnahmen ergriffen werden, die eine Standardsoftware (ohne weiteres) erlaubt, z.B. der Klick auf die Verschlüsselungsoption bei einem W-Lan-Router.

Kritik: Beide Ansichten sind vertretbar und nachvollziehbar, aber riskant: Sie müssen unterstellen, dass die grundsätzlich gegebene Mißbrauchsmöglichkeit des Internetanschlusses so wahrscheinlich ist, dass der Betreiber des Anschlusses deswegen entsprechende Maßnahmen ergreifen muss. Dabei ist derzeit nicht nachgewiesen, dass eine entsprechend wahrscheinliche Gefährdung überhaupt besteht. Die häufige Medienpräsenz des Themas mag zum Schluss verleiten, dass der Mißbrauch von Internetanschlüssen oder fremden W-Lans gang und gäbe ist, freilich ist diese zumeist von entsprechenden Interessenverbänden initiiert. Hochspekulative Berechnungen über die jährliche Anzahl von illegalen Downloads und dergleichen sind im Rahmen des Meinungskampfes zulässig, helfen aber nicht der Wahrheitsfindung. Daher ist diese Ansicht ohne entsprechende Tatsachenuntermauerung abzulehnen, da sie die Handlungspflichten von Internetanschlussinhabern ohne Vorliegen von Anhaltspunkten unzumutbar ausdehnt.

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Störerhaftung, Urteile nach den Grundsätzen des BGH

Andere Gerichte halten das unter Hinweis auf obige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für falsch. Das LG Mannheim hat in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2006 und 2007 klargestellt, dass ohne das Vorliegen von Anhaltspunkten keine Verpflichtung des Anschlussinhabers bestehe den Internetanschluss zu überwachen und/oder die Mitbewohner zu überwachen oder zu belehren. Bei jüngeren Familienmitgliedern, etwa Jugendlichen, mag an dieser Stelle eine entsprechende Einweisung oder Aufklärung über die Rechtslage erforderlich sein. Dieser Ansicht haben sich das LG München I ( Aktenzeichen: 7 O 2807/07) und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Aktenzeichen: 11 W 58/07, angeschlossen.

Das OLG Frankfurt hat, anders als das LG Hamburg, in einer Entscheidung vom Juli 2008, Aktenzeichen 11 U 52/07, geurteilt, dass auch ein unverschlüsselt betriebenes W-Lan die Störerhaftung nicht auslöse, da keine Verletzung von Prüfungspflichten bestehe: Solche entstünden erst dann, so das OLG, wenn Anhaltspunkte für einen Mißbrauch des offenen W-Lans vorlägen.
Diese Ansicht ist durch das Urteil des BGH widerlegt: Ein unverschlüsseltes WLan- kann die Störerhaftung ohne weiteres auslösen, siehe BGH zur Störerhaftung vom 12.05.2010.

Die Instanzgerichte sind also in der Interpretation der Pflichten des Anschlussinhabers uneins. Deren Umfang hängt im Übrigen stark von den konkreten Umständen ab. Daher ist eine sorgfältige Prüfung der Gegebenheiten im Einzelfall Pflicht.

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Störerhaftung: Schadenersatz und Unterlassung?

Bislang wird im Rahmen der Störerhaftung unter Hinweis auf ein Urteil des BGH vom 18.10.2001, Aktenzeichen: I ZR 22/99, kein Anspruch auf Schadenersatz für die Urheberrechtsverletzung gewährt, da in der Regel nicht nachgewiesen ist, dass der Anschlussinhaber selbst die Urheberrechtsverletzung begangen hat oder daran teilgenommen hat. Soweit es die Abmahnkosten betrifft, besteht bei Verurteilung eine Ersatzverpflichtung. Das gilt auch noch nach dem neuen Urteil des BGH vom 12.05.2010 (siehe oben).
Eine Unterlassungsverpflichtung besteht allerdings im Rahmen einer festgestellten Störerhaftung.

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