Agenturhaftung
Anzuwendendes Recht, Auftragsart
Werbeagenturen werden weit überwiegend mit der Durchführung bestimmter Werbemaßnahmen beauftragt: Konzeption und Ausarbeitung von Mailings, Firmenbroschüren, Anzeigengestaltung und Anzeigenschaltung, Markenentwicklung und dergleichen mehr.
Für die Durchführung solcher bestimmter Maßnahmen ist grundsätzlich Werkvertragsrecht anwendbar, §631 BGB. Der Schwerpunkt der Leistung einer klassischen Werbeagentur liegt dabei regelmäßig nicht auf der Herstellung der Sache (Flyer, Prospekte) an sich, sondern auf dem damit beabsichtigten Zweck.
Die Agentur schuldet einen bestimmten Erfolg, nämlich die rechtzeitige und mangelfreie Herstellung des Werks. Was das im Einzelnen ist, bestimmt sich nach der Vereinbarung der Parteien, welche durch den Auftrag definiert ist. Ist der Auftrag in dieser Hinsicht nicht klar gefaßt, muss auf die Gebrauchstauglichkeit des Werks für den vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch abgestellt werden. Von der Geltung des Werkvertragsrechts wird in der Folge ausgegangen.
Vertragspflichten der Agentur
Die rechtzeitige und mangelfreie Herstellung umfaßt folgende Punkte:
- Geeignetheit der Werbemaßnahme:Ausgangspunkt für die Beurteilung der Geeignetheit einer Werbemaßnahme sind die im Auftrag definierten Ziele: Was soll mit der Maßnahme erreicht werden?
- Die Werbemaßnahme muss prinzipiell die Werbeziele des Kunden erfüllen können.
- Die allgemein anerkannten Regeln des Werbefachs müssen eingehalten werden: Das hängt konzeptionell von der kalkulierten zeitlichen und räumlichen Verbreitung der Werbung und der Werbeträger ab.
Wird ein Prospekt erst kurzfristig vor einer Aktion oder am Tage der Aktion verteilt, kann er seine werbliche Funktion meist nicht mehr erfüllen. Im Einzelfall kann es aber auch genau anders herum sein.Bei der Gestaltung der Werbeträger kann deren grundsätzliche Eignung z.B. vom Geschmack und sonstigen Vorstellungen der Zielgruppe abhängen. Freilich hat die Agentur hier einen gewissen Spielraum: Eine sklavische Anpassung an die Vorstellungen der Zielgruppe ist nicht erforderlich. Agenturen reden in diesem Zusammenhang gerne von ihrer künstlerischen Freiheit, zutreffender ist im Regelfall der Begriff eines entwickelten audiovisuellen Stils der Agentur. - Die anerkannten Regeln der Technik müssen eingehalten werden: Hierzu zählen z.B. die Produktion von Druckerzeugnissen, die Produktion von Hörfunkspots, die Programmierung von Online-Shops und Erstellung von Webseiten. Gerade die Erstellung von Online-Medien birgt bekannte Risiken: Welcher User-Agent (Browser, Handy) der Zielgruppe muss berücksichtigt werden? Die Geeignetheit einer Maßnahme hängt nicht zuletzt davon ab, ob und wie die Zielgruppe erreicht wird. Bei Aufträgen öffentlich-rechtlicher Auftraggeber ist regelmäßig mit dem Erfordernis der Barrierefreiheit eines Angebots zu rechnen.
- Die Werbung muss rechtmäßig sein:Im Spannungsfeld zwischen dem vom Kunden gewünschten maximalem Werbeerfolg und rechtssicherer Werbung ist der Grat, auf dem die Agentur wandelt, schmal. Das enthebt die Agentur aber nicht von ihrer grundsätzlichen Verpflichtung, eine rechtmäßige Werbemaßnahme zu konzeptionieren und durchzuführen. Die Rechtsprechung ist hier unnachgiebig:
Die Rechtmäßigkeit einer Werbemaßnahme gehört zu den wesentlichen Vertragspflichten einer Agentur. Daher wird ein Haftungsausschluss in den AGB der Agentur nicht funktionieren.
Eine rechtswidrige Werbemaßnahme ist in jedem Fall mangelhaft, da die Beachtung der werberechtlichen und sonstigen Gesetze Aufgabe der Agentur ist. Verlangt der Kunde eine sehr offensive Werbung, muss er auf die entstehenden konkreten Risiken unmißverständlich hingewiesen werden, damit der Kunde seine Position noch einmal überdenken kann.Für die Rechtmäßigkeit der Werbung ist die Agentur auch dann verantwortlich, wenn sie lediglich die rechtswidrige Konzeption der Werbemaßnahme erstellt hat und die Umsetzung andere besorgen.Der Umfang der Prüfungspflichten der Agentur kann variieren: Bei einer sehr großen und teuren Kampagne ist eine sorgfältige rechtliche Prüfung mit Sicherheit geschuldet. Je kleiner der Etat oder je geringer der Anteil der Agentur, um so geringer dürften hier auch die Prüfpflichten ausfallen - bis hinunter zur Grenze dessen, was von einer Fachfirma an allgemeinen oder speziellen rechtlichen Kenntnissen in ihrem Bereich vorausgesetzt werden kann.Die Agentur trägt im Zweifel die Beweislast für die erfolgten rechtlichen Hinweise und dafür, dass die rechtswidrige Maßnahme auch bei richtiger Belehrung verwirklicht worden wäre.
Erfolg der Werbemaßnahme
Einen konkreten, das heißt, in Umsatzsteigerungen oder gestiegener Marktakzeptanz bezifferbaren Erfolg der Werbemaßnahme schuldet die Agentur jedoch nicht. Es genügt, wenn die Agentur eine grundsätzlich geeignete Werbemaßnahme durchführt. Der Auftraggeber trägt wegen der Vielzahl der Faktoren, welche den Erfolg einer Werbemaßnahme bestimmen könnten, das Erfolgsrisiko grundsätzlich selbst.
Freilich, hat sich die Agentur konkret zur Erreichung bestimmter Werbeziele verpflichtet, etwa zu einer Mindestresponsequote bei Mailings etwa, muss sie sich auch daran halten lassen.
Mangelnder Erfolg einer Werbemaßnahme berechtigt den Auftraggeber daher grundsätzlich nicht zu Kürzungen, das Ergebnis kann allerdings auf eine fehlerhafte Konzeption hindeuten. Eine fehlerhafte Konzeption wiederum stellt einen Mangel der Werkleistung dar.
Rechtsfolgen
Macht die Agentur alles richtig, bekommt sie ihr Geld - wenn der Vertrag stimmt.
Macht die Agentur Fehler, kann der Auftraggeber (der Besteller im Werkvertragsrecht) entweder Nacherfüllung verlangen, §635 BGB, nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist die Sache selbst in die Hand nehmen,, §637 BGB, vom Vertrag zurücktreten, §634 Nr.3 BGB, oder den Werklohn mindern,§638 BGB
Läßt sich die Agentur trotz erkannter Rechtswidrigkeit einer Werbemaßnahme und erfolgter richtiger Belehrung des Kunden auf das Weiterführen des Auftrags ein, haftet sie unter Umständen für die dem Kunden daraus entstehende Schäden: Der Kunde verliert zwar seine Mängelansprüche bei vorbehaltloser Freigabe, nicht jedoch seine Schadensersatzansprüche. Zwar müsste sich der Kunde ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Agentur täte jedoch gut daran, diesen Punkt bei der Vertragsgestaltung oder Vertragsdurchführung zu berücksichtigen.
Störerhaftung der Agentur
Ein weiterer Punkt spricht gegen ein "Laissez – faire" der Agentur: Neben dem Werbetreibenden selbst kann die Agentur als "Störerin" des lauteren Wettbewerbs in Anspruch genommen werden. Sie ist bei Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Handlung dem Abmahnenden dann regelmäßig zur Abgabe einer (teuren) Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verpflichtet.
Markenrecht
Nicht wenige Agenturen bieten gleichfalls die Entwicklung eines Logos an, welches für eine Marke oder die Firmenkennzeichnung des Auftraggebers Verwendung finden soll. Auch hier erbringt die Agentur ihre Leistung grundsätzlich erst dann fehlerfrei, wenn das Logo oder die Wortmarke frei von Rechten Dritter ist. Andererseits nimmt das Kammergericht Berlin hier an, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen kann: Wer als Auftraggeber nur sehr wenig zahlt und nicht gänzlich unerfahren ist, könne nicht erwarten, dass die Agentur auch noch eine Markenrecherche tätigt.
Freilich sollte man sich Agentur nicht auf diesen Richterspruch verlassen.Es ist auch hier besser, diesen Punkt im Vorfeld zu besprechen und vertraglich zu regeln.
Fazit
Agenturen sollten den Wünschen ihrer Kunden nach offensiver Werbung nicht ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit nachgeben. Ein genereller Haftungsauschluß in AGB's reicht nicht aus. Die Agentur wird im Hinblick auf die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit einer Werbemaßnahme an den üblichen Maßstäben einer sorgfältigen Fachfirma gemessen. Sie ist hier grundsätzlich zur Beratung des Kunden verpflichtet. Der dadurch entstehende Aufwand sollte in einem Vertrag Berücksichtigung finden. Dies gilt um so mehr, als bei großen Projekten eine intensive Prüfung verlangt wird. Schließlich kann die Agentur auch selbst als Störerin in Anspruch genommen werden.