Verurteilung wegen vorsätzlichen Totschlags kann ausserordentliche Kündigung rechtfertigen

Quelle : Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr.46/2000

Außerordentliche Kündigung eines tarifvertraglich ordentlich unkündbaren Angestellten wegen Totschlags

Der 1939 geborene Kläger ist seit 1972 bei der beklagten Hansestadt als Diplom-Ingenieur beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Bundesangestelltentarifvertrag ist er ordentlich unkündbar. Am 7. Dezember 1993 kam es auf der Zugfahrt des Klägers von Hamburg nach Buchholz zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem wesentlich jüngeren Asylbewerber aus Gambia, deren Hergang im einzelnen streitig ist. Hierbei fügte der Kläger dem Afrikaner mit seinem beidseitig geschliffenen Fahrtenmesser ua. eine acht bis zehn Zentimeter tiefe Bauchverletzung zu, die zu dessen Tod führte.

Im Strafverfahren wurde der Kläger durch Urteil vom 28. Februar 1997 wegen Totschlags rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Über den Vorfall vom 7. Dezember 1993 und das anschließende Strafverfahren erschienen zahlreiche Presseberichte, teilweise unter Erwähnung des Namens bzw. der Stellung des Klägers. Aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers erklärte die Beklagte mit Zustimmung des Personalrats mit Schreiben vom 13. März 1997 die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses und kündigte erneut außerordentlich nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils.

Gegen diese Kündigungen wendet sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage. Er macht geltend, ein wichtiger Grund zur Kündigung habe nicht vorgelegen. Er habe am 7. Dezember 1993 in Notwehr gehandelt und habe sich gegenüber der aggressiven Verhaltensweise seines Mitreisenden allenfalls bei der Wahl des Abwehrmittels vergriffen. Demgegenüber hält die Beklagte die ausgesprochenen Kündigungen für rechtswirksam. Ihr Ansehen als öffentlicher Arbeitgeber habe durch das vorwerfbare Verhalten des Klägers, nicht zuletzt angesichts des erheblichen Echos in den Medien, Schaden genommen. Der Kläger habe aus Wut, Ärger und Rechthaberei einen Streit provoziert und dabei, ohne daß eine Notwehrsituation vorgelegen hätte, einen Ausländer niedergestochen und getötet. Eine erhebliche Zahl von Mitarbeitern halte eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger für ausgeschlossen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben. Ein Angestellter im öffentlichen Dienst muß sein außerdienstliches Verhalten so einrichten, daß das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Begeht ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter ein vorsätzliches Tötungsdelikt, verletzt also bewußt das Recht auf Leben eines anderen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und damit einen Höchstwert innerhalb der Verfassungsordnung, so ist es dem öffentlichen Arbeitgeber in der Regel unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. In einem solchen Fall kann der öffentliche Arbeitgeber regelmäßig auch nicht auf den Ausspruch einer Abmahnung verwiesen werden.

Dem Arbeitnehmer muß klar sein, daß die Begehung eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes als massive Rechtsverletzung seine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst in Frage stellen kann. Das Landesarbeitsgericht ist auf der Grundlage der Feststellungen der Strafgerichte, ohne eigene Tatsachenfeststellungen zu treffen, danach zwar zutreffend davon ausgegangen, daß ein nicht durch Notwehr gerechtfertigter vorsätzlicher Totschlag, wegen dessen ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes rechtskräftig zu einer erheblichen Strafe verurteilt worden ist, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen.

Bei der Interessenabwägung hat das Berufungsgericht aber u.a. die Schwere des Tatvorwurfs abweichend von dem rechtskräftigen Strafurteil zu gering bewertet und außerdem unzutreffend darauf abgestellt, eine Ansehensschädigung der beklagten Stadt sei konkret nicht meßbar und auch eine Störung des Betriebsfriedens nicht erkennbar. Der Senat hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit Feststellungen zum Tathergang und eine fehlerfreie, der Tatsacheninstanz obliegende Interessenabwägung nachgeholt werden können.

BAG, Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 AZR 638/99
Vorinstanz: LAG Hamburg, Urteil vom 22. Oktober 1999 - 8 Sa 82/98 -

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