Zur Abgrenzung zwischen Terrorismusabwehr und politischer Verfolgung

Massnahmen zur Terrorismusabwehr eines Staates können Härten für Angehörige von Volksgruppen, aus denen eine im Land aktive terroristische Organisation stammt, unter Umständen rechtfertigen. Eine politische Verfolgung kann aber vorliegen, wenn die Maßnahmen im Einzelnen über das erforderliche Mass hinausgehen, insbesondere bei Folter.(Zusammenfassung)

Quelle:Pressemitteilung des BVerwG Nr. 28/2000 vom 26. Juli 2000

Asyl: Terrorismusabwehr und Folter

Das Bundesverwaltungsgericht hat heute eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster aufgehoben, das einem sri-lankischen Staatsangehörigen tamilischer Volkszugehörigkeit Asyl versagt hat.

Das Oberverwaltungsgericht hat als wahr unterstellt, der Kläger sei 1994 vor seiner Ausreise aus Sri Lanka von Sicherheitskräften zweimal mehrere Tage inhaftiert, dabei geschlagen und mit brennenden Zigaretten misshandelt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Vorgehen nicht als asylbegründend angesehen, weil es der Abwehr des Terrorismus durch die militante tamilische Separatistenorganisation LTTE diente.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Bewertung nicht gefolgt.

Es ist im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung davon ausgegangen, dass staatliche Aufklärungsmaßnahmen zur Terrorismusabwehr nicht als politische Verfolgung zu beurteilen sind, auch wenn sie ohne konkrete Verdachtsmomente zunächst nur an asylerhebliche Merkmale wie etwa die Volkszugehörigkeit anknüpfen.

Gehen diese Aufklärungsmaßnahmen jedoch über das erforderliche Maß hinaus, spricht eine Vermutung dafür, dass sie nicht nur der Terrorismusabwehr dienen, sondern den Einzelnen wegen seiner asylerheblichen Merkmale treffen und deshalb politische Verfolgung darstellen. Wird der Ausländer gefoltert, gilt diese Vermutung in besonderem Maße. Der Tatrichter muss daher sorgfältig prüfen, ob es besondere Gründe gibt, die es erlauben, solche Eingriffe ausnahmsweise nicht als politische Verfolgung anzusehen.

Dies hat das Berufungsgericht im Falle des Klägers nicht ausreichend geprüft. Es hat lediglich undifferenziert darauf abgestellt, die gegen den Kläger eingesetzten Verhörspraktiken seinen in Sri Lanka auch sonst allgemein üblich. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil deshalb aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung darüber zurückverwiesen, ob der Kläger sein Heimatland als politisch Verfolgter verlassen hat und deshalb unter erleichterten Voraussetzungen Asyl erhalten kann.

BVerwG 9 C 28.99 - Urteil vom 25. Juli 2000

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