Zum nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis

Zusammenfassung: Die Beklagten betreiben auf ihrem Grundstück seit 30 Jahren eine Hammerschmiede. Die Richtwerte für Lärmemissionen werden eingehalten. 20 Jahre später kaufen die Kläger ein Grundstück in Hörweite der Schmiede und bebauen dieses mit einem Einfamilienhaus. Das Geräusch der Schmiede ist ihnen zu laut, so ziehen sie vor Gericht mit dem Ziel, sich des Lärmes zu entledigen.

Der BGH wies die Klage jedoch ab. Wer gleichsam sehenden Auges ein Grundstück neben einer Hammerschmiede kauft und bebaut, sei aus Gründen des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet, auf die Belange des anderen, früher Anwesenden Rücksicht zu nehmen, zumal wenn dieser die behördlichen Richtwerte einhält.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 53/2001 des BGH vom 06.07.2001

Bundesgerichtshof zur Unterlassung von Industrielärmimmissionen bei späterer Wohnbebauung in der Nachbarschaft

Der für Grundstücks- und Nachbarrechtsfragen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte über den Anspruch auf Unterlassung von Lärmimmissionen einer Hammerschmiede zu entscheiden. Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks, das sie im Jahr 1990 erworben und mit einem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus bebaut haben. Das Grundstück liegt am Rand eines allgemeinen Wohngebiets. In einer Entfernung von etwa 160 m betreibt die Beklagte in einem Industriegebiet seit mehr als 30 Jahren - im jetzigen Umfang seit 1986 - eine behördlich genehmigte Hammerschmiede. Die Betriebszeit beträgt werktäglich acht Stunden; die vom Schmieden mit Riemenfallhämmern verursachten Lärmimmissionen, welche die in öffentlich-rechtlichen Vorschriften festgelegten Richtwerte nicht überschreiten, dauern ca. zwei bis fünf Stunden täglich an.

Das Berufungsgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben. Es hat die Lärmimmissionen trotz Einhaltens der Richtwerte als wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung des klägerischen Grundstücks angesehen, die nicht geduldet werden müsse. Dem Umstand, daß die Kläger erst lange nach Inbetriebnahme der Hammerschmiede ihr Grundstück erworben und bebaut haben, hat es keine Bedeutung beigemessen.

Der Bundesgerichtshof hat einen Anspruch auf Unterlassung der Lärmimmissionen verneint, selbst wenn die Benutzung des Grundstücks der Kläger wesentlich beeinträchtigt sein sollte. Das Berufungsgericht habe nämlich den Umstand, daß die Beklagte die Hammerschmiede schon seit mehr als 30 Jahren betreibe, während die Kläger ihr Grundstück erst vor etwa 10 Jahren erworben und bebaut hätten, nicht ausreichend berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats liefere zwar die zeitliche Priorität dem Störer keinen Rechtfertigungsgrund für die Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbarn. Aus dem sogenannten nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis entspringe aber nach Treu und Glauben eine Pflicht zu gesteigerter gegenseitiger Rücksichtnahme, die dazu führen könne, daß die Ausübung gewisser aus dem Eigentum fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werde. Das gelte insbesondere dann, wenn sich jemand - wie hier die Kläger - in Kenntnis der Sachlage bewußt der Gefahr von Geräuschbelästigungen aussetze und sodann deren Unterlassung verlange. Denn wer trotz der Möglichkeit, sich auf die vorgefundene Situation einzustellen, gleichsam "sehenden Auges" erst die Konfliktlage zwischen Industrie- und Wohnnutzung schaffe, könne sich später nicht auf die sich aus der wesentlichen Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ergebenden Rechte berufen, wenn die Immissionen die zulässigen Richtwerte nicht überschreiten.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Urteil vom 6. Juli 2001 - V ZR 246/00

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