Neue Grundsätze zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts

Zusammenfassung: Im Ergebnis wird nun ein nacheheliches Einkommen des/der Unterhaltsberechtigten so behandelt, als wäre es während der Ehezeit bereits erzielt worden. Dem Unterhaltsberechtigten steht nun die hälftige Differenz aus den unterschiedlichen Einkommen zu, wenn das Einkommen des ehemaligen Ehegatten höher ist. Begründet wird dies damit, daß Haushaltsführung und Kindererziehung lebensstandarderhöhend seien, und anerkanntermaßen einen eigenen wirtschaftlichen Wert besäßen.

Das nunmehr erzielte Einkommen sei gleichsam das Surrogat der bisherigen in der Familie geleisteten Arbeit, so daß es gerechtfertigt erscheine, dieses Einkommen einerseits bei der Feststellung des Unterhaltsbedarfs mitzuberücksichtigen. Andererseits sei durch Ausgleich der Einkommensdifferenz die gebotene gleichmäßigeTeilhabe beider Ehegatten am erreichten Lebensstandard sichergestellt.

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Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 44/2001 vom 13.06.2001

Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über den Anspruch einer geschiedenen Ehefrau auf nachehelichen Aufstockungsunterhalt zu entscheiden. Die heute 50-jährige Klägerin, die mit dem Beklagten von 1968 bis 1997 verheiratet war, versorgte während der Ehe den Haushalt, betreute die 1979 geborene gemeinsame Tochter und war daneben halbtags als selbständige Fußpflegerin tätig.

Die Eheleute lebten in einem ihr gehörenden Haus, welches sie 1998 verkaufte. Nach Ablösung von Schulden und Zahlung eines Zugewinnausgleichs an den Beklagten verblieb ihr ein Restkapital, aus dem sie Zinsen erzielt. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts kann sie eine leichte vollschichtige Erwerbstätigkeit übernehmen.

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Das Oberlandesgericht hat der Klägerin nachehelichen Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zugesprochen. Um dem lebensstandarderhöhenden Wert der Haushaltsführung und Kindesbetreuung Rechnung zu tragen, hat es der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) nicht nur das bereinigte Erwerbseinkommen des Beklagten zugrunde gelegt, sondern auch das nach der Scheidung ersatzweise erzielte bzw. erzielbare Erwerbseinkommen der Klägerin aus der ihr zumutbaren vollschichtigen Tätigkeit sowie die Zinseinkünfte, die sie aus dem verbliebenen Kapital nach Verkauf ihres Hauses erzielt.

Es hat für die Klägerin - im Ergebnis entsprechend der sogenannten Differenzmethode - einen Unterhalt in Höhe der hälftigen Differenz zwischen den nach der Scheidung von beiden Ehegatten erzielten bzw. erzielbaren Einkünften errechnet. Damit ist es von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abgewichen. Danach bestimmte sich in den Fällen, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehe kein Einkommen erzielt, sondern den Haushalt geführt und gegebenenfalls die Kinder betreut hat, das Maß seines Unterhalts grundsätzlich (nur) nach dem von dem unterhaltspflichtigen Ehegatten während der Ehe erzielten Einkommen. Insoweit setzte die Ehescheidung einen Endpunkt mit der Folge, daß Einkünfte, die erst danach hinzukamen, die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr bestimmten, es sei denn, sie waren schon während der Ehe sicher zu erwarten.

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Auf seinen so bemessenen Unterhaltsbedarf wurden eigene Einkünfte, die der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung (und ohne daß dies ehezeitlich bereits zu erwarten war) erzielte, bedarfsdeckend angerechnet (sogenannte Anrechnungsmethode), so daß sich im Ergebnis ein geringerer Unterhaltsbetrag ergab als nach der sogenannten Differenzmethode.

Der XII. Zivilsenat hat das Urteil des Oberlandesgerichts - in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung - im Ergebnis bestätigt. Ausgangspunkt seiner Erwägungen war, daß der Gesetzgeber die Haushaltsführung des nicht erwerbstätigen Ehegatten im Grundsatz der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegatten gleichstellt und daß die das Maß des Unterhalts bestimmenden ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB nicht nur durch die Bareinkünfte des erwerbstätigen Ehegatten, sondern auch durch den wirtschaftlichen Wert der Leistungen des anderen Ehegatten im Haushalt mitgeprägt werden.

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Der eheliche Lebensstandard erfährt hierdurch eine Verbesserung, weil dieser Ehegatte Dienst- und Fürsorgeleistungen erbringt, die andernfalls durch Fremdleistungen erkauft werden müßten. Da die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Gesamtheit aller wirtschaftlich relevanten Faktoren mitbestimmt werden und alles umfassen, was während der Ehe für den Lebenszuschnitt der Ehegatten von Bedeutung ist, mithin auch den durch die häusliche Mitarbeit des nicht erwerbstätigen Ehegatten erreichten sozialen Standard, ist es aus dieser Sicht zu eng, den Unterhaltsbedarf auch in den Fällen nur an den zum Zeitpunkt der Scheidung vorhandenen Barmitteln auszurichten, in denen der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt oder ausweitet und daraus Einkünfte bezieht.

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Da diese Tätigkeit gleichsam als Surrogat für seine bisherige Familienarbeit angesehen werden kann, ist es gerechtfertigt, das nunmehr erzielte Einkommen in die Unterhaltsbedarfsbemessung miteinzubeziehen, von Ausnahmen einer ungewöhnlichen, vom Normalverlauf abweichenden Karriereentwicklung abgesehen. Auf diese Weise ist die gebotene gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehe gemeinsam erreichten Lebensstandard gewährleistet.

Urteil vom 13. Juni 2001 - XII ZR 343/99

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