Vermarktung auf DVD keine neue Nutzungsart zu Videozweitverwertung

So hat der BGH in seinem Urteil entschieden und damit den Verwertungsgesellschaften und Rechtehändlern recht gegeben, die meinten, die Vermarktung auf DVD sei letztlich das gleiche wie die Videozweitverwertung und keine unbekannte Nutzungsart. für die ein Urheber im Voraus keine Rechte einräumen könne. Der BGH führte dazu aus, dass keine wirtschaftlich eigenständige Verwertungsform vorläge. Die DVD-Vermarktung ersetze lediglich die Video-Vermarktung und erschlösse letztlich keinen neuen Markt.

Diese Ansicht teilen wir nicht. Zwar ist es richtig, dass über kurz oder lang die DVD-Vermarktung die Videovermarktung ersetzen wird, dennoch ist eine wirtschaftliche Eigenständigkeit im Moment durchaus erkennbar: Mit der DVD können grundsätzlich neue Märkte erschlossen werden, nämlich jene, die über den bloßen Film hinaus noch weitere Informationen suchen oder jene, die die bessere Qualität und Haltbarkeit einer DVD, eventuell sogar in mehreren Sprachen, schätzen und dem Video vorziehen.

Im Buchhandel sind als wirtschaftlich eigenständige Verwendungsarten Luxusausgaben, Hardcover, Taschenbuch und z.B. Sammelausgaben anerkannt, jeweils letztlich eine andere Verpackung, die unterschiedliche Käuferkreise (Märkte) anzusprechen geeignet ist.

Warum hat man diese Gedanken nicht auf die Filmverwertung übertragen? DVD’s sind gemeinhin teurer als Videofilme und grenzen sich auch so von diesen ab. Oft bieten Sie einen Mehrwert der manchen erst zum Kauf einer DVD veranlaßt.

Derzeit stellt die DVD nach unserer Betrachtung noch eine andere Nutzungsart dar. Dies mag sich in ein paar Jahren, wenn Videos nicht mehr hergestellt werden, anders darstellen, also tatsächlich eine Substitution stattgefunden hat.

Diese Substitution bereits jetzt zu antizipieren ist zwar pragmatisch und befreit weite Teile von schwierigen Berechnungen, wird aber der Sache nicht gerecht. Ausserdem wird hier eine "natürliche" Grenze der Verwertung künstlich in die Länge gezogen. Jede Art der technischen Verwertung unterliegt technischen Beschränkungen. Eine solche Beschränkung kann die Art der Verwertung sein, welche durch technische Weiterentwicklung der Medien obsolet, das heißt, veraltet wird. Es ist nicht auszuschließen, dass der Rechteinhaber nur eine bestimmte Nutzungsart genehmigen wollte und nicht jede Art der Zweitverwertung. Hierfür spricht auch die ältere Rechtsprechung und Literatur, welche Rechtevergabe nur bei "bekannten" Nutzungsarten zuließ. Das Konstrukt des Substituts läßt den Rechteinhaber im Regen stehen.

Gleichwohl ist das Urteil als solches zu beachten und in eigene Überlegungen einzubeziehen.

Die im Streit befindliche DVD enthielt zusätzlich eine Dokumentation und bot inhaltlich mehr als die Videoausgabe. Somit verwies der BGH die Angelegenheit an das OLG zurück um die Frage einer Verletzung des Urheberrechts durch die Dokumentation prüfen zu lassen.

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Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 78/2005 vom 20.05.05

Ältere Spielfilmverwertungsverträge erfassen auch eine Vermarktung auf DVD

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß es sich bei der Vermarktung eines digital gespeicherten Films zum Abspielen auf einem eigenen Wiedergabegerät (DVD) nicht um eine gegenüber der Vermarktung herkömmlicher Videokassetten neue Nutzungsart i.S. des § 31 Abs. 4 UrhG handelt. Üblicherweise werden dem Filmhersteller von den Mitwirkenden umfassende Nutzungsrechte eingeräumt, die auch die Videozweitauswertung umfassen. Nach dem deutschen Urheberrechtsrechtsgesetz können jedoch keine Nutzungsrechte für noch nicht bekannte Nutzungsarten vergeben werden. Da die DVD in Deutschland erst seit den neunziger Jahren bekannt ist, hätte die Einordnung der DVD als neue Nutzungsart bedeutet, daß die Filmhersteller für eine Vielzahl von Filmen nicht im Besitz der Rechte für die von ihnen heute wahrgenommene DVD-Zweitauswertung wären.

Der Kläger wirkte als Filmarchitekt an dem 1980/81 produzierten Spielfilm "Der Zauberberg" nach dem Roman von Thomas Mann mit. Für die von ihm geschaffene Ausstattung des Films (u.a. die der literarischen Vorlage möglichst weitgehend entsprechende Darstellung des Sanatoriums "Berghof" einschließlich der Innenräume) ist der Kläger mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet worden; vor dem BGH war nicht mehr im Streit, daß diese Leistung urheberrechtlich geschützt ist.

Die Beklagte ist eine Filmverwertungsgesellschaft, die über die Rechte an dem Film "Der Zauberberg" verfügt, die die Mitwirkenden ursprünglich dem Produzenten eingeräumt haben. Sie vermarktet den Film inzwischen nicht nur auf Videokassette, sondern auch auf DVD. Der Kläger hatte 1980 mit dem Filmproduzenten einen Anstellungsvertrag geschlossen, durch den der Gesellschaft über die Verweisung auf den Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende eine umfassende Nutzung und Verwertung des Films eingeräumt worden war. Während 1980 die Videozweitauswertung von Spielfilmen bereits bekannt war, wurde das digitale Speichermedium DVD erst in den Neunzigerjahren bekannt und spätestens 1998 in Deutschland eingeführt. Der Kläger hat im Rechtsstreit die Ansicht vertreten, die Beklagte sei zur Vermarktung des Films "Der Zauberberg" auf DVD schon deswegen nicht berechtigt, weil es sich bei der DVD um eine zum Zeitpunkt der Rechtseinräumung durch den Kläger unbekannte Nutzungsart handele, für die der Kläger im Jahr 1980 Nutzungsrechte noch nicht habe wirksam einräumen können. Außerdem hat er sich darauf gestützt, daß seine Rechte auch durch eine ursprünglich für das ZDF produzierte, ebenfalls auf der DVD enthaltene Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" verletzt würden, in der die von ihm geschaffene Filmausstattung zu sehen war.

Das Landgericht München I hat der auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gerichteten Klage stattgegeben (MMR 2001, 828), während das Oberlandesgericht München die Klage abgewiesen hat (NJW 2003, 675). Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Dabei ist der BGH dem Oberlandesgericht in der im Mittelpunkt stehenden Frage gefolgt und hat ebenfalls die DVD-Vermarktung nicht als neue Nutzungsart angesehen. Bloße technische Neuerungen, die eine neue Verwendungsform kennzeichnen, reichen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich genommen nicht aus, um eine neue Nutzungsart anzunehmen. Erforderlich ist vielmehr daneben eine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform. Daran fehlt es hier. Die DVD-Zweitauswertung von Spielfilmen stellt im Verhältnis zur herkömmlichen Vermarktung auf Videokassetten keine wirtschaftlich eigenständige Verwendungsform dar. Durch die DVD werden trotz des gesteigerten Absatzes letztlich keine neuen Absatzmärkte erschlossen; auch werden dem Urheber durch die Einbeziehung dieser Nutzungsart keine Erträgnisse vorenthalten. Es ist abzusehen, daß die DVD auf längere Sicht die herkömmliche Videokassette ersetzen wird. Durch die DVD wird daher kein neuer Markt erschlossen; vielmehr tritt sie an die Stelle einer herkömmlichen Verwendungsform.

Dennoch hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, weil das Oberlandesgericht es versäumt hat, sich auch mit dem weiteren Vortrag des Klägers auseinanderzusetzen, wonach sein Urheberrecht auch durch die auf der DVD wiedergegebene Dokumentation "100 Tage auf dem Zauberberg" verletzt werde. Um diese Prüfung nachzuholen, ist die Sache an das OLG München zurückverwiesen worden.

Urteil vom 19. Mai 2005 - I ZR 285/02

LG München I - 7 O 5487/01 ./. OLG München - 6 U 5487/01

Karlsruhe, den 20. Mai 2005

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