Abschied vom Rechtsstaat?

fragt nicht nur der Deutsche Anwaltverein in seiner neuesten Presseerklärung vom 03.04.2007. Man mag darüber lächeln, welche Formen die Begehrlichkeit mancher Innenminister annehmen kann. Vom "Bundestrojaner" hatte man schon gespöttelt und weiter davon, dass ein wirksamer Trojaner sowieso nicht entwickelt werden kann. Der Deutsche Anwaltverein spricht in seiner Presseerklärung Nr. 17 /07 begrifflich zwar unrichtig vom "Staats-Hacking", hat aber in der Sache Recht.

Verdeckte Online-Untersuchungen heißt das derzeitige Schlagwort, welches fast schon wieder aus dem Bewußtsein der Bevölkerung verschwunden ist.

In einem verwandten Fall hat sich die Mächtigkeit - und Verfügbarkeit - vernetzter Daten bereits gezeigt: Man erinnere sich an die Rasterfahndung über Kreditkartenabbuchungen, welche zur Identifikation von über 200 Personen eines Kinderpornographierings geführt hat. Dem Ergebnis dieser Fahndung stimmt sicherlich jeder zu, der angewendeten Methode aber nicht.

Heiligt der Zweck die Mittel?

Es nützt der Freiheit nichts, dass wir sie abschaffen, um sie zu schützen. (Benjamin Franklin zugeschrieben)nach oben

Freiheit ist ein schwer zu definierendes Abstraktum und wird daher oft mißverstanden und für alle möglichen Zwecke mißbraucht. Bewegt man sich auf dem Boden des Grundgesetzes, wird aber klarer, was der Gesetzgeber unter Freiheit verstanden hat: Zum Beispiel die Freiheit zu wählen und abzuwählen, die Freiheit des Einzelnen, gewisse Dinge zu tun oder zu lassen und die Freiheit, nicht vom Staat gegängelt und beobachtet zu werden wie ein kleines Kind und sich gegen Übergriffe zu wehren.

Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, eröffnet jede geschaffene Möglichkeit auch die ihres Mißbrauchs. Es geht letztlich auch darum, ob diese Mißbrauchsmöglichkeit eingeschränkt werden kann, ob ihr wirksam begegnet werden kann und ob es eine wirksame Kontrolle derjenigen gibt, die über die Ausübung dieser Möglichkeiten befinden.

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Quis custodit custodes? Wer bewacht die Wächter?

Verdeckte Online-Untersuchungen sind dazu gedacht und theoretisch in der Lage, eine Menge Daten von einer bestimmten Person oder Personengruppe zu erheben. Notwendig werden dabei alle möglichen Beziehungen, welche per Rechner / online gepflegt oder geknüpft werden, ebenfalls erfasst. Notwendig muss dann der die Daten Erhebende bei einer Vielzahl dieser Kontakte ebenfalls einen "Bundestrojaner" einschleusen, wenn der Kontakt nicht klar definiert ist und der Verdacht auf eine irgendwie geartete Gesetzesuntreue aufkommt oder bloß nicht ausgeräumt werden kann. Wer entscheidet dann über die Ausweitung der Untersuchung?

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Bereits dieser kleine Ausschnitt zeigt wie schwierig es ist eine solche verdeckte Untersuchung zu begrenzen und im Rahmen des ursprünglichen Auftrags zu halten. Eine richterliche Anordnung mag daher für den Ursprungsauftrag ausreichen, aber was ist mit der Verfolgung weiterer Spuren? Auch Richter sind nur Menschen und haben nur endlich Zeit. Aktenberge oder ganze Festplatten daraufhin zu untersuchen, ob das Begehr der verfolgenden Behörde der grundgesetzlich geforderten Verhältnismäßigkeit der Mittel entspricht, ist faktisch nicht immer leistbar. Eine der vielen Gefahren solcher Untersuchungen ist dann, dass der Ermittlungsauftrag bereits möglichst weit gefasst wird, damit möglichst viel ohne Störung erreicht wird. Das wiederrum kollidiert mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Da kontrolliert also jemand, der nicht wirksam kontrolliert werden kann.

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Warum weist jetzt der Deutsche Anwaltsverein in einer Presseerklärung auf das fast schon vergessene Thema wieder hin? Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Sie sind neben der Justiz und der ihr zugeordneten Exekutive diejenigen, die Recht anwenden und gelobt haben, der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu dienen. Es ist daher ihre Pflicht, auf Mißstände und Besorgnis erregende Entwicklungen im Recht hinzuweisen und, soweit möglich, eigene Vorschläge zu entwickeln.

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Die Einschränkung der Grundrechte des Einzelnen darf nur aufgrund einer genauen Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Allgemeinheit und der Bedürfnissen des Betroffenen geschehen. Es darf keine geringere Eingrifssmöglichkeit zur Erreichung des erstrebten Ziels geben. Die Mißbrauchsmöglichkeiten und konkreten Auswirkungen sind nach bisherigem Kenntnisstand jedoch viel zu groß um den Einsatz der verdeckten Online-Untersuchung zu rechtfertigen. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel kann offensichtlich nicht wirksam gewahrt werden. Nicht zuletzt ist es für den betroffenen Bürger zunächst unmöglich, sich gegen eine Untersuchung mit den Mitteln des Rechts zu wehren wenn er nichts davon weiß.

Daher ist der Einsatz des Deutschen Anwaltvereins gerechtfertigt.

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