Gesetz zur Neuregelung der Telefonüberwachung

Ein letzter Versuch der Anwaltschaft, das unselige "Gesetz zur Neuregelung der Telefonüberwachung" doch noch zu verhindern, hat der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Herr Axel Filges unternommen. Er hat den Bundespräsidenten gebeten, dieses Gesetz nicht auszufertigen und nicht zu verkünden. Damit könnte das Gesetz nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt und nicht mit dem vorgesehenen Inhalt in Kraft treten.

Wie heise online und im Spiegel in der Ausgabe 49/2007 nachzulesen ist, sieht die Bundesrechtsanwaltskammer die Ausnahmeregelungen des Art. 13 Grundgesetz für die Unverletzlichkeit der Privatsphäre nicht erfüllt. Diese müßte aber gegeben sein, um eine derart einschneidende Maßnahme in den höchstpersönlichen Lebens- und Berufsbereich des Einzelnen zu rechtfertigen. Die etwas ältere Stellungnahme des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer rügt meines Erachtens zurecht die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs der geplanten Maßnahmen.

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Die unbestritten vorhandene Gefahr durch den internationalen Terrorismus soll dabei nicht heruntergespielt werden. Andererseits sind die Maßnahmen geeignet, eine "Rundum-Überwachung" der Bürger zu installieren, was derzeit nicht von der Verfassung gedeckt ist. Wer das nicht glauben mag, opfere fünf Minuten für das sehens- und klickenswerte interaktive Flashfilmchenvon dieser Quelle an, der lediglich andeutet, welche Daten bereits jetzt über einen normalen Bürger vorliegen. Der zu erwartende Sicherheitsgewinn ist, nach Erkenntnissen des Ausschußes, im Vergleich zu den Einschränkungen gering.

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Eine hundertprozentige Überwachung erfordert einen unverhältnismäßigen Aufwand, denn bereits das Paretoprinzip, auch als 80/20 Regel bekannt, besagt, dass 80% des Nutzens mit 20% der Ressourcen erzielt werden. Jede weitere Optimierung läßt den zu betreibenden Aufwand nicht etwa linear, sondern exponentiell steigen. Für Unternehmen ist das eine einfache Wirtschaftlichkeitsrechnung, für den Staat, der andere Ziele verfolgt, ist die Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht vorrangig.

Neben dem technischen Aufwand steigt hier vor allem die Eingriffstiefe in die Rechte des Einzelnen. Freilich ist das Gemeinwesen an die selbst aufgestellten Regeln gebunden, sofern diese nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens geändert werden. Diese Regeln scheinen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes nicht eingehalten. Sollte der Versuch der Bundesrechtsanwaltskammer erfolglos sein, wird mit einer Verfassungsbeschwerde zu rechnen sein.

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Neben der Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchung ist weiter zu bemängeln, dass Berufsgeheimnisträger mithin auch Objekte der Überwachung werden können. Eine Ausnahme wird nur bei Strafverteidigern gemacht. Diese Unterscheidung läßt sich nicht begründen. Rechtsanwälte gehören zu den Berufsgeheimnisträgern. Ein gut Teil des Vertrauens der Bürger ist darauf gegründet, dass der Anwalt oder die Anwältin private Dinge oder Vorhaben aus dem Kreis der Mandantschaft nicht weitergibt. Sollen Anwälte die Strafverteidigung ausdrücklich in ihr Portfolio mit aufnehmen um der Überwachung zu entgehen? Oder sollen Kanzleien Srafverteidiger einstellen müssen um ihrer restliche Klientel den Schutz der Privatsphäre garantieren zu können? Wie sieht denn diese Regelung in der Praxis aus? Gilt das Überwachungsverbot für den Anwalt, für die Sozietät oder nur für das konkrete Mandat? Was ist mit den Informationen, die, im Wege eines so genannten Zufallsfundes trotzdem gewonnen werden? Man kann sich eine Menge Situationen vorstellen, in denen ein Anwalt den Mandanten darauf aufmerksam macht, dass das eine oder andere angedachte Vorgehen des unwissenden Mandanten in irgendeiner Weise - mehr oder weniger offensichtlich- strafbar ist und der Mandant die Finger davon lassen solle. Man stelle sich bloß vor, jemand hört ein Gespräch mit, denkt an einen Zufallsfund und stellt Strafantrag bevor die Beratung zu Ende geführt ist. Guten Abend.

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Noch gar nicht angesprochen ist der Prüfpunkt des "selbst unverdächtigen" Strafverteidigers. Macht sich nicht jeder verdächtig, der in Kontakt mit bestimmten Leuten kommt, derentwegen die Behörden überhaupt eine solche Überwachungsaktion starten?

Ein mindestens ebenso großer Aufreger ist das bislang abgelehnte, aber noch nicht gestorbene Begehren der Musikindustrie, auf Grundlage der Vorratsdatenspeicherung einen zivilrechtlichen Anspruch für den Zugriff auf Nutzerdaten zu erhalten. Das bislang praktizierte Spiel, nämlich die Staatsanwaltschaften durch Unmengen von Strafanzeigen zu fluten um an die Daten der Nutzer von Tauschbörsen zu kommen, ist wenig erfreulich. Noch unerfreulicher wäre es allerdings, wenn singuläre privatwirtschaftliche Interessen es ermöglichen sollten, jeden Schritt der Bürger in Teilen des Netzes nachvollziehen zu können. Dass hier keine deutlichere Ablehnung erfolgte, erstaunt schon.

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