Multimediawerk oder Einzelrechte?

Es ging um die Virtualisierung unter anderm des Kölner Doms für die Online-Plattform "Second Life". Das LG Köln hatte sich in seinem Urteil vom 21.04.2008, AZ: 28 O 124/08, unter anderem mit einer interessanten Frage zu befassen: Unter welchen Umständen ist ein Multimediawerk anzunehmen?

Im Kern ging es darum, dass drei Firmen eine Zusammenarbeit beschlossen hatten, um die Stadt Köln zu virtualisieren, wenigstens die wichtigsten Gebäude. Als man sich nicht mehr so gut verstand, entbrannte ein Streit zwischen einer Beteiligten und den anderen beiden Firmen, bei denen es um die Nutzungsrechte von Fotos, bzw. Texturen für den Kölner Dom ging.

So erteilt das Landgericht Köln der Begrifflichkeit des Multimediawerks zunächst eine Absage:

Dabei geht die Kammer davon aus, dass auch im "virtuellen Raum", hier im Rahmen der Online-Plattform "Second Life", urheberrechtlich geschützte Werke entstehen können, wenn diese dem Schutz einer der in § 2 UrhG genannten Werkarten zuzuordnen sind [...]. Des zum Teil diskutierten Rückgriffs auf ein angesichts des nicht abschließenden Katalogs des § 2 UrhG durchaus denkbares eigenständiges "Multimedia-Werk" [...] bedarf es soweit und solange nicht, als die erwähnte Zuordnung — wie hier — im Grundsatz möglich erscheint. Der Umstand allein, dass die Erstellung schöpferischer Leistungen unter Zuhilfenahme elektronischer Medien erfolgt, rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer nicht, den mehr oder minder unbestimmten Begriff des "Multimedia-Werks" heranzuziehen. Entscheidend ist nicht die Art der Festlegung des Werkes, etwa in Form von digitalen Daten (Binärcode), sondern vielmehr die durch Sprache, Bild und Ton vermittelte gedankliche Aussage, die die schöpferische Leistung konstituiert [...].
nach oben

Soweit und solange also das bisherige Urheberrecht zur Beurteilung des Falles ausreicht, ist ein Rückgriff auf den noch unbestimmten Begriff des Multimediawerks laut LG Köln nicht notwendig. Die Kammer ging dabei insbesondere von den streitgegenständlichen Texturen ( sichtbare Oberflächenstrukturen) aus, die aufgrund von Fotografien virtualisiert und in das Gebäude eingefügt wurden. Die Nutzung dieser Texturen wollte die Verfügungsklägerin untersagen lassen.

Damit hatte die Klägerin kein Erfolg. Zwar trug sie vor:

nach oben
[...]durch die Wahl von Schattierungen und Helligkeiten und die Farbwahl habe die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin eine unabhängig vom realen Dom bestehende Atmosphäre geschaffen, wodurch die majestätische Baukunst unterstrichen worden sei. Auch seien durch die Neuschaffung Blickwinkel ermöglicht worden, die vorher und auch in Realität nicht bestanden hätten und bestünden.

Dem schloß sich die Kammer nicht an, indem sie zunächst den Grad der erforderlichen Schöpfungshöhe definierte:

Hinsichtlich der Anforderungen an die Schöpfungshöhe verkennt die Kammer nicht, dass im Bereich der bildenden Kunst auch die sog. "kleine Münze" geschützt sein kann (BGH GRUR 1995, 581, 582 — Silberdistel). Allerdings ist hier nicht davon auszugehen, dass ein Fall "reiner Kunst" vorliegt. (Nur) für diese sind die Anforderungen an die persönliche geistige Schöpfung im Gegensatz zur angewandten Kunst eher niedrig anzusetzen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 153). Vielmehr ist der virtuelle Dom in seiner Gesamtheit, somit auch die von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin erbrachte Leistung, als angewandte Kunst einzuordnen. Werke der angewandten Kunst sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung handelt.[...]

und sodann feststellte, dass die Arbeit der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin diese erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreichte:

nach oben
Anhand dieser wird deutlich, dass Frau M — wie es auch die Verfügungsbeklagten vortragen und an Eides Statt versichern — nicht die Oberflächen (in Form von geometrischen Körpern o.ä.) des virtuellen Doms erstellt hat, sondern die auf diese Oberflächen aufzubringenden fotorealistischen Texturen. Die Texturen geben den "nackten" geometrischen Körpern wie den Fenstern oder Bodenkacheln sodann den gewünschten lebensechten Anschein. Die danach geleistete Tätigkeit der Frau M bestand und erschöpfte sich also darin, auf der Grundlage von Fotos des realen Domes durch perspektivische Korrekturen, Helligkeitsanpassungen und Wahl des entsprechenden Bildausschnitts eine Anpassung dieser Fotos für die Zwecke des virtuellen Doms zu erzielen. Hierin liegt keine hinreichende eigenpersönliche Schöpfung. Vielmehr sind die insoweit zu erbringenden Leistungen im eher handwerklich-technischen Bereich anzusiedeln, insbesondere im Umgang mit den grundlegenden Bearbeitungsfunktionen eines Bildbearbeitungsprogramms. Zu letzteren rechnen, wie der Kammer aus eigener Anschauung bekannt ist, gerade die perspektivische Korrektur, die Aufhellung einzelner Teile oder des gesamten Bildes sowie das sog. Freistellen (also Loslösen eines Motives vom mitfotografierten Hintergrund).

Damit schloß das Gericht die Urheberrechtsfähigkeit der Texturen im speziellen Fall aus. Hätte das Gericht die Urheberrechtsfähigkeit bejaht, wäre die Frage nach der Herkunft sowie der Qualität und Eigenständigkeit der Bearbeitung der Bilder aufgekommen:

Nur im letzteren Fall aber erschiene ein urheberrechtlicher Schutz der Lichtbilder selbst denkbar (§ 72 UrhG), der sich - was hier aber offen bleiben kann - auf die Texturen erstrecken könnte.
nach oben

Das Landgericht hat sich intensiv mit verschiedenen Formen der Urheberrechtsfähigkeit des virtuellen Kölner Doms auseinandergesetzt und sie im konkreten Fall jeweils verneint. Die Entscheidung ist, da sie viele Fragen des Urheberrechts aufgreift, lesenswert.

Fazit: Für die Annahme eines eigenständigen Multimediawerks kommt es nicht auf die verwendeten Mittel an, mithilfe dessen es erstellt oder wahrgenommen wird, solange das übliche Instrumentarium des Urheberrechts zur Beurteilung des Werks oder seiner Elemente ausreicht. Mangels begrifflicher Bestimmheit - wodurch zeichnet sich ein Multimediawerk aus?- ist es derzeit nach Ansicht des LG Köln auch nicht geeignet, einen eigenständigen Platz im Gefüge der Urheberrecht einzunehmen.

Quellen: LG Köln, Urteil vom 21.04.08, AZ: 28 O 124/08, JurPC Web-Dok. 77/2008, Abs. 1 - 31

Neu geschrieben

Hauptnavigation

Sie können die Seite jetzt  oder die Druckvorschau schliessen.Tipps zu Druckeinstellungen: Link Einstellungen Internet ExplorerLink Einstellungen Mozilla FirefoxLink Einstellungen OperaLink Einstellungen Safari

Wir bitten um Ihr Verständnis, dass unsere Online-Seiten, deren Teil die von Ihnen ausgedruckte Seite ist, lediglich allgemeine Informationen liefern können. Für eine verbindliche Rechtsberatung im konkreten Einzelfall wenden Sie sich bitte an uns oder an eine andere zur Rechtsberatung befugte Stelle. Vielen Dank!