Gleichbehandlung beim vereinfachten Unterhaltfestsetzungsverfahren

Unterhaltsberechtigte Kinder sind auch dann verfahrensrechtlich gleich zu behandeln, wenn Sie höhere Unterhaltsansprüche haben.

Quelle: Pressemitteilung des BVerfG Nr. 43/2001 vom 27. April 2001

Gleichbehandlung beim vereinfachten Unterhaltfestsetzungsverfahren

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat festgestellt, dass es gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, wenn Kindern mit höheren Unterhaltsansprüchen die Abänderung der vollstreckbaren Titel im vereinfachten Verfahren verweigert wird.

1. Bis Mitte 1998 sah das BGB vor, dass der von einem Elternteil zu zahlende Kindesunterhalt konkret nach den wirtschaftlichen Verhältnissen ausgerechnet und als statischer Betrag festgesetzt wurde. Änderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, konnten bestehende Titel in einem vereinfachten Verfahren angepasst werden.

Im Juli 1998 (Inkrafttreten des Kindesunterhaltsgesetzes - KindUG) ist der sogenannte dynamische Unterhalt eingeführt worden. Nunmehr kann der Unterhaltsanspruch in Prozentsätzen nach der Regelbetrag-Verordnung (der dem Kind mindestens zustehende Regelbetrag ist hier festgelegt) ausgedrückt werden. Da die Regelbeträge nach § 1612 a BGB alle zwei Jahre steigen, erhöhen sich dementsprechend die dynamischen Unterhaltstitel, ohne dass ein gerichtliches Verfahren erforderlich wird. Die Umschreibung der vor Juli 1998 begründeten (statischen) in dynamische Unterhaltstitel wird im vereinfachten Verfahren durch den Rechtspfleger vorgenommen. Allerdings sind die dieses Verfahren regelnden Vorschriften des KindUG von einigen Gerichten so ausgelegt worden, dass die Umschreibung im vereinfachten Verfahren nicht zulässig ist, wenn der Unterhaltstitel mehr als 150 % des Regelbetrages festlegt.

Dementsprechend ist den 3 Beschwerdeführern (Bf), die titulierte Ansprüche in Höhe von 300 %, 165 % und 180 % des Regelbetrages in dynamische Unterhaltstitel umschreiben lassen wollten, die Anwendung des vereinfachten Verfahrens vom Amtsgericht Heilbronn verweigert worden.

2. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die entsprechenden Beschlüsse aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Entscheidungen des Amtsgerichts Heilbronn verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Durch die Rechtsauslegung des Amtsgerichts werden Kinder mit Unterhaltstiteln bis 150 % des Regelbetrages anders behandelt als Kinder mit Unterhaltstiteln über mehr als 150 % des Regelbetrages. Letzteren wird die Möglichkeit verwehrt, im vereinfachten Verfahren einen dynamischen Unterhaltstitel zu erlangen.

Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Die Gründe, die dafür sprechen, bei der erstmaligen Festsetzung des Unterhalts nur dann das vereinfachte Verfahren zuzulassen, wenn der Unterhaltsanspruch allenfalls wenig über dem Existenzminimum des Kindes liegt, greifen bei der Umwandlung von Alttiteln nicht.

Es ist deshalb eine verfassungskonforme Auslegung des KindUG geboten, nach der die Umwandlung von Alttiteln unabhängig von deren Höhe im vereinfachten Verfahren möglich ist. Die Kammer führt aus, dass eine derartige Auslegung mit Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes vereinbar ist.

Beschluss vom 2. April 2001 - Az. 1 BvR 355/00 u. a. -

Karlsruhe, den 27. April 2001

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