Bestätigung der Neuwagenrechtsprechung des BGH

Ein Neuwagen ist dann nicht mehr als fabrikneu zu bezeichnen, wenn der Wagen so nicht mehr hergestellt wird. Es kommt dabei nicht auf die Kenntnis des gewerblichen Verkäufers an, ob er von der Produktionsumstellung wußte.

Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 16.07.03 Nr.94 /2003

Der für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte sich erneut mit der Frage zu befassen, ab wann ein als Neufahrzeug verkauftes Kraftfahrzeug nicht mehr als "fabrikneu" anzusehen ist, wenn in dem Zeitraum, in dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, ein Modellwechsel stattgefunden hat. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es um den Kauf eines Pkw mit der Typenbezeichnung 523i der 5er-Reihe der Marke BMW bei der Beklagten, einer BMW-Vertragshändlerin. An dieser Reihe hatte BMW im Spätsommer 2000 eine sogenannte "Modellpflege" vorgenommen, die u.a. zur Folge hatte, daß das von der Klägerin erworbene Modell 523i nicht mehr hergestellt wurde.

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Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein als Neuwagen verkaufter Pkw nicht mehr "fabrikneu", wenn das betreffende Modell nicht mehr unverändert hergestellt wird. Im jetzt entschiedenen Fall hatte das Oberlandesgericht Köln hiergegen Bedenken. Es meinte, der Zeitpunkt der fabrikinternen Produktionsumstellung sei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht eindeutig als maßgeblich zu entnehmen; er sei überdies "nicht naheliegend" und nicht praktikabel, weil er dem Händler und erst recht dem Kunden häufig verschlossen bleibe. Das Oberlandesgericht hat deshalb - im Anschluß an eine wettbewerbsrechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1998 (NJW 1999, 2190), jedoch abweichend von der kaufrechtlichen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats - auf den Beginn der Auslieferung des neuen Modells an den Handel abgestellt. Es ist weiter davon ausgegangen, im vorliegenden Fall sei der Kaufvertrag noch vor jenem Zeitpunkt abgeschlossen worden; deshalb sei das verkaufte Fahrzeug noch fabrikneu gewesen. Im übrigen habe die Verkäuferin auch nicht ungefragt auf den bevorstehenden Modellwechsel hinweisen müssen. Die auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages oder Schadensersatz gerichtete Klage hat es daher abgewiesen.

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Der Bundesgerichtshof hält auch nach Prüfung der vom Oberlandesgericht angestellten Erwägungen an seinem bisherigen Standpunkt fest. Er teilt insbesondere nicht die Befürchtung, der Zeitpunkt der Produktionseinstellung eines bestimmten Automodells sei dem Vertragshändler einer Fahrzeugmarke häufig nicht bekannt. Dieser Zeitpunkt ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch hinreichend genau feststellbar; der Umstand, daß die gesamte Produktionsumstellung von einem auf ein neues oder anderes Pkw-Modell wegen der erforderlichen Umrüstung der Produktionsanlagen, etwa damit verbundener Werksferien und der Anlaufzeit für die Herstellung des neuen Typs möglicherweise mehrere Wochen in Anspruch nimmt, spricht deshalb nicht gegen die Produktionseinstellung als maßgebliche Zäsur für die Frage, ab wann ein Fahrzeug nicht mehr unverändert hergestellt wird und das betreffende Modell demzufolge nicht mehr als fabrikneu im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes angesehen werden kann.

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Der Bundesgerichtshof hat daher das Urteil des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen über das Datum des Abschlusses des Kaufvertrages sowie den genauen Zeitpunkt der Produktionseinstellung des früheren Modells der 5er-Reihe an das Berufungsgericht zurückverwiesen; beide Daten waren zwischen den Parteien streitig. Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof dem Oberlandesgericht aufgegeben, erneut zu prüfen, ob die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin auch ungefragt auf den bevorstehenden Modellwechsel hinzuweisen, wenn im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages die Herstellerin BMW noch nicht die Produktion des alten Typs 523i eingestellt hatte, die neuen Modelle der 5er-Reihe aber bereits im Handel angeboten wurden. Nur wenn eine solche Aufklärungspflicht zu bejahen sein sollte, könnte der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zustehen.

Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 243/02

Karlsruhe, den 16. Juli 2003

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