Schadensersatz bei unerlaubtem Abdruck von Pressefotos, §97 UrhG, § 72 UrhG

Der BGH hatte einen in der Praxis nicht seltenen Fall zu entscheiden: Welche Schadensersatzansprüche stehen dem Inhaber von Schutzrechten nach dem Urheberrechtsgesetz zu, wenn ein Lizenznehmer unberechtigt das Werk oder die Werke an Dritte weitergibt? Im besagten Fall hatte ein Fotograf auf gesonderte Vergütung unberechtigt verwendeter Bilder in einer von der Lizenznehmerin mit redaktionellen Inhalten versorgten Tageszeitung (Mantellieferungsvertrag) geklagt und seinen Schadensersatz nach den Empfehlungen der MFM (Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing, Lizenzanalogie, § 97 UrhG) berechnet.

Die Gegner wenden ein, dass der zwischen ihnen ( den Zeitungen) geschlossene Mantellieferungsvertrag nicht berücksichtigt wurde und wenn überhaupt, nur Ersatz verlangt werden könne für die erhöhte Auflage, für die die Bilder verwendet wurden und keinesfalls eine gesonderte Vergütung angemessen sei.

Stellungnahme: Die Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Im deutschen Urheberrecht gilt jedoch der Auslegungsgrundsatz, dass der Rechteinhaber im Zweifel nur diejenigen Rechte weitervergeben will, die der andere gerade braucht und die dem Rechteinhaber bekannt waren. ( Zweckübertragungs- theorie)

Der BGH vertritt die Ansicht, dass der Mantellieferungsvertrag für die Frage der Höhe des Schadensersatzes relevant sein kann. Dem kann problemlos insoweit gefolgt werden, wenn der Mantellieferungsvertrag dem Lizenzgeber bekannt war und er damit rechnen mußte, dass die Bilder auch an andere Zeitungen geliefert wurden. Insoweit würde sich sein Schadensersatz nur aus der vergütungspflichtigen Höhe der Auflage und ihrer Differenz berechnen und wäre nicht gesondert als angenommener neuer Auftrag zu bewerten.

Soweit der Mantellieferungsvertrag die beklagten Zeitungen ausschließlich band - wovon auszugehen ist - hätte der Kläger normalerweise kein separates Geschäft mit der anderen Zeitung gemacht. Die hier interessierende Frage ist, ob dieser Umstand allein ausreicht dem Kläger im Rahmen der Lizenzanalogie nur den Lizenzschaden zuzusprechen, den er normalerweise hätte erzielen können ( Mehrvergütung) oder ob ihm alternativ die normale Vergütung ( gesonderte Vergütung) zuzusprechen ist. Wenn der Kläger den Mantellieferungsvertrag nicht kannte und nicht kennen mußte, kann ihm dieses Nichtwissen nicht zum Schaden gereichen. Die Höhe seines Anspruchs würde sonst lediglich von ihm unbekannten und nicht beeinflussbaren vertraglichen Beziehungen der Beklagten abhängen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1), die ursprüngliche Lizenznehmerin, es bei der Gestaltung des Vertrags ( Bezahlung nach Anzahl Fotos und Auflagenhöhe) in der Hand hatte, die Zweitverwertung für die Mantellieferungen der Auflagenhöhe nach oder explizit nach Zeitungen mit einzubeziehen. Der Lizenznehmerin sind nämlich regelmäßig die Eckdaten (Auflagenhöhe ) die den Mantellieferungsvertrag bestimmen, bekannt. Sie hätte diesen Verwendungszweck offenlegen müssen. Gleichwohl wird man hier lediglich die Mehrvergütung zusprechen können, da anzunehmen ist, dass Kläger und Beklagte zu 1) nur eine Mehrvergütung, aber keine gesonderte Vergütung vereinbart hätten.

Zumindest die Beklagte zu 2), also die Tageszeitung, die von der Beklagten zu 1) mit Inhalten beliefert wird, wird nicht für sich in Anspruch nehmen können, nur die Mehrvergütung und keine gesonderte Vergütung bezahlen zu müssen. Mit ihr hatte der Beklagte keine vertragliche Beziehung. Es war an der Beklagten zu 2) gelegen, die Rechtsverhältnisse hinsichtlich der Schutzrechte genau zu prüfen, denn dazu ist sie verpflichtet. Sie hat daher den objektiven Verkehrswert der Rechtsbenutzung zu entrichten, also die gesonderte Vergütung. Nach der Rechtsprechung wird dabei zu berücksichtigen sein,dass es sich dann um eine Zweitverwertung handelt, die regelmäßig günstigere Preise ergibt. Die Beklagte zu 2) kann sich jedoch auf den Vertrag der Beklagten zu 1) nicht berufen, denn dieser umfasst gerade nicht eine Nutzung durch die Beklagte zu 2).

Die Lizenzanalogie, so einfach sie der Höhe nach zu berechnen scheint, ist gelegentlich problematisch in der Anwendung. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH soll der Verletzer eines Schutzrechtes nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden als ein normaler Vertragspartner. Damit besteht für den Verletzer kein Anreiz sich eine kostenpflichtige Lizenz zu besorgen, denn im Fall einer Entdeckung seines Handelns muss er nur die übliche Lizenzgebühr entrichten, im besten Fall bei Nichtentdeckung gar nichts.

Oft aber bietet sich dem Verletzten aber keine Möglichkeit, eine andere Berechnungsart zu wählen. Ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns lohnt nur, wenn der Verletzer einen Gewinn erzielt hat. Hierbei können jedoch neben den erheblichen Schwierigkeiten, den Gewinn beim anderen feststellen zu lassen, erhebliche Kausalitätsprobleme auftreten. Ein nicht professioneller Rechteverwerter, Urheber oder Schutzrechtsinhaber, der seine Werke nicht zu vermarkten gewöhnt ist, wird einen eigenen Schaden, anhand zum Beispiel entgangener Einnahmen aus gleichartigen Geschäften, nicht beziffern können.

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 134/2005 vom 06.10.05

Schadensersatz für den unerlaubten Abdruck von Pressefotos in einer Tageszeitung

Der u. a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden, wie der Schadensersatzanspruch für den unerlaubten Abdruck von Fotos in einer Tageszeitung zu bemessen ist.

Der klagende freiberufliche Fotograf hat einer Tageszeitung (Beklagte zu 1) gegen Entgelt eine Vielzahl von Pressefotos zum Abdruck zur Verfügung gestellt. Insgesamt 43 dieser Fotos wurden von der Beklagten zu 1 an eine andere, rechtlich selbständige Tageszeitung (Beklagte zu 2) ohne Genehmigung des Klägers zum Abdruck weitergegeben. Die Beklagten sind deshalb rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden. Sie haben daraufhin für den zweiten Abdruck jeweils 8 DM pro Foto bezahlt. Der Kläger verlangt weitere 2.418,55 als Schadensersatz.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Schadensersatzanspruch allein danach zu bemessen, zu welchen angemessenen Bedingungen üblicherweise der Abdruck in einer Zeitung mit der Auflage der zweiten Tageszeitung gestattet worden wäre. Darauf, welche Verbindungen hier zwischen den beiden Tageszeitungen bestünden, komme es nicht an. Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs seien die Honorarsätze zugrunde zu legen, die von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) empfohlen würden. Die MFM-Empfehlungen enthielten eine Zusammenstellung der marktüblichen Honorare und gäben die Verkehrssitte zwischen Bildagenturen und freien Fotografen auf der einen und Verwertern auf der anderen Seite wieder.

Die Beklagten haben mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision geltend gemacht, das Berufungsgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass für die beteiligten Zeitungen ein Mantellieferungsvertrag über wesentliche Teile der Tageszeitung geschlossen worden sei. Die übernommenen Fotos seien Teil der Mantellieferungen gewesen. Als Vergütung für den Zweitabdruck sei deshalb das Honorar zu zahlen, das angesichts der Gesamtauflage beider Zeitungen tatsächlich üblich und angemessen gewesen sei. Die MFM-Empfehlungen seien lediglich Äußerungen eines Interessenverbands.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die angemessene Vergütung werde üblicherweise nach den gesamten Umständen bemessen. Dazu könne hier gehören, dass die beteiligten Zeitungen zeitgleich in derselben Region verbreitet werden. Ebenso könne von Bedeutung sein, ob die Fotos Teil von Mantellieferungen gewesen seien. Es könne nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die MFM-Empfehlungen in der fraglichen Zeit die angemessene und übliche Vergütung wiedergegeben hätten. Mangels eigener Sachkunde hätte das Berufungsgericht davon nicht ohne sachverständige Hilfe ausgehen dürfen.

Urteile vom 6. Oktober 2005 - I ZR 266/02 und I ZR 267/02

Amtsgericht Charlottenburg, Entscheidungen vom 28.2.2002 - 227 C 293/01 und vom 7.3.2002 - 210 C 583/01

Landgericht Berlin, Entscheidungen vom 27.8.2002 - 16 S 4/02 und 20.8.2002 - 16 S 5/02

Karlsruhe, den 6. Oktober 2005

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