Werbung trotz Verbot

Jemand wirbt. Einem anderen gefällt das nicht und er klagt auf Unterlassung. Der andere bekommt Recht. Der Werbende stellt seine Werbung daraufhin um. Dem anderen ist das aber noch zu ähnlich und er klagt erneut: Bekommt er diesmal Recht? Zwei Fälle aus der Gerichtspraxis.

Kernpunkt der beiden Verfahren ist zunächst die Überzeugung, dass nicht nur die konkrete Werbeaussage, zum Beispiel:

Wir sind billiger und besser als X, Y, und Z

dem gerichtlichen Verbot unterliegt, sondern auch im Kern identische Aussagen, wie das OLG Hamburg entschied:

Unter den Tenor eines Unterlassungstitels fallen zwar nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.

OLG Hamburg, AZ: 3W 6/08

Die Begründung liegt auf der Hand: Jede noch so kleine Änderung an den Worten oder der Wortstellung müßte erneut verfolgt werden. Im Kern geht es jedoch um eine bestimmte Aussage mit einem bestimmten Aussagegehalt. Dieser muss herausgeschält werden. Es kommt also bei einer Beurteilung, ob die Werbung im Kern identisch oder gleichwertig sei, nicht nur auf die Wortwahl an, sondern auf die getroffene Aussage, die mit den Worten transportiert wird.

Im vom OLG Hamburg (oben) entschiedenen Fall drehte sich der Streit um die Frage, ob die zunächst verbotene Aussage:

Zahnbürste "X" entferne Plaque signifikant besser als "Y" (unter Hinweis auf Studienergebnisse)

im Kern gleich sei zu der Behauptung:

Zahnbürste "X" entfernt Plaque besser als "Y"

.

Die Beantwortung dieser Frage ist praktisch wichtig: Wenn die Frage bejaht wird, kann gegen den Aussagenden aufgrund des rechtskrätigen Beschlusses oder Urteils sofort vollstreckt werden, wird die Frage verneint, muss ein erneutes Verfahren angestrebt werden.

Die Hamburger Richter verneinten dies unter Hinweis darauf, dass sich die erste und verbotene Aussage auf ein angeblich wissenschaftlich reproduzierbares Ergebnis stützte, die zweite Aussage jedoch diesen Aussagegehalt nicht wiedergab.

In einem anderen Verfahren vor dem Landgericht Koblenz, Beschluss vom 10.02.2009, Az.: 5 O 411/07, ging es darum, dass es jemandem untersagt wurde, einen anderen einen Betrüger zu nennen. In der Folge äußerte sich derjenige so, dass er meinte, der andere sei "Teil eines internationalen Betrügernetzwerkes".

Diese Aussagen, so das Landgericht, seien im Kern identisch und daher von der Verbotsverfügung umfasst.

Wie immer bei solchen Entscheidungen kommt es auf den Einzelfall an: Nämlich die einzelne getroffene Aussage.

Neu geschrieben

Hauptnavigation