Filesharing ist Familiensache

… so titelt die Ausgabe 1/2011 der Zeitschrift PCPraxis in einem Artikel über das Filesharing, zu dem ich das Vergnügen hatte, ein paar Zeilen beizusteuern.(Seite 22 und 23 dieser Ausgabe)

Die PCPraxis aus dem Data Becker Verlag befragte mich vor ein paar Wochen zu Haftungsfragen des Filesharings, besonders innerhalb der Familie.

Eltern haften nicht für ihre Kinder, aber für eigene Fehler.

Druckplatz ist bekanntlich begrenzt, so dass nicht alle meine Gedanken dazu wiedergegeben wurden. Deshalb erhalten Sie hier die ungekürzte Fassung rund um Fälle der Elternhaftung bei Filesharing. Dabei gingen wir von drei Fallgestaltungen aus, einem minderjährigen Kind im Haushalt, welches einen Webfilter zum Filesharing umgeht, einer erwachsenen Tochter und einem erwachsenen Sohn, der selbst einen Anschluß betreibt. In aller Regel bin ich dabei von recht strengen Haftungsmaßstäben zum Thema Filesharing über den Familienanschluß ausgegangen.

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Filesharing durch minderjährige Kinder im Haushalt

Fallbeispiel 1: Die Eltern haben ein "Sicher-Surfen"-Programm installiert, das u. a. Filesharing-Software blockieren soll. Die Sperre knackt der 12jährige Sohn jedoch und lädt ein Album einer Rockband herunter. Wer haftet?

Wenn der Sohn den elterlichen Webfilter bewußt ausschaltet oder umgeht, kann man in aller Regel davon ausgehen, dass er die Einsicht hat, durch den Download etwas Unerlaubtes zu tun. Der 12jährige Sohn wäre demnach zivilrechtlich voll haftbar nach §828 BGB, §97 UrhG, obwohl er mit seinen 12 Jahren noch strafunmündig nach §19 StGB ist.

Weil es hier um erhebliche Summen gehen kann, ist die unterschiedliche Wertung des Gesetzgebers inzwischen hoch problematisch. Für den Schaden aus solchen leicht zu verwirklichenden Handlungen, früher war es allenfalls eine eingeworfene Fensterscheibe, haftet der Sohn nämlich auch als Volljähriger unbeschränkt. Nur hinsichtlich verwirkter Vertragsstrafeversprechen (nochmaliger Download z.B.), kann er seine Haftung auf sein mit Erreichen der Volljährigkeit vorhandenes Vermögen beschränken, §§107, 1629a BGB. Aber auch nach Eintritt der Volljährigkeit bleibt er an die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung noch lange gebunden.

Bei minderjährigen Kindern im Haushalt von Anschlußinhabern legen nicht wenige Gerichte strenge Maßstäbe bei der Überwachung der Internetnutzung an. Da den Eltern auch die Aufsichts- und Erziehungspflicht, §1631 BGB, obliegt, sind die Pflichten der Eltern an diesem Maß zu messen. Wird eine solche Aufsichtspflichtverletzung sogar ausdrücklich gerichtlich festgestellt, haften die Eltern dem Rechteinhaber gegenüber nicht nur auf Unterlassung im Rahmen der allgemeinen Störerhaftung, sondern auch auf Schadenersatz wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht,§832 Absatz 1 Satz 1 BGB.

Hinweise: Die Einrichtung eines "Sicher-Surfen"Programms kann hilfreich sein, ist aber als alleinige Maßnahme weder im Rahmen der Störerhaftung noch der Aufsichtspflicht ausreichend.

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Ihrer Aufsichts- und Erziehungspflicht genügen die Eltern im Allgemeinen, wenn Sie ihr Kind anfänglich bei Ausflügen ins Internet begleiten und darüber belehren, auf was zum eigenen Schutz und zum Schutz anderer zu achten ist. Der unbeaufsichtigte Internetzugang kann nach und nach alters- und entwicklungsgerecht erlaubt werden, wenn die Eltern die Überzeugung gewonnen haben, dass das Kind zunehmend eigenständig und eigenverantwortlich handelt. Regelmäßige Kontrollen des Rechnerinhalts sind anfänglich anzuraten, können aber ebenfalls reduziert werden wenn keine Anhaltspunkte für unerlaubtes Tun des minderjährigen Kindes vorliegen.

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Filesharing durch erwachsene Familienmitglieder

Fallbeispiel 2: Die 20jährige Tochter, die noch im Haushalt der Eltern lebt, nutzt den gemeinsamen Internetanschluss der Familie, um eine gerippte DVD aus dem Internet zu ziehen. Welche Verantwortung hat der Vater (der den Internet-Anschluss beauftragt hat und bezahlt)?

Der Vater ist seiner Tochter gegenüber nicht mehr aufsichtspflichtig, so dass ihn als Anschlußinhaber nur die gleichen Rechte und Pflichten treffen, wie sie andere auch haben, z. B. Anschlußinhaber in Studenten-WG's. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haftet er als Störer, wenn er die ihm zumutbaren Prüfungs- und Kontroll- und Belehrungspflichten verletzt hat.

Wie er diese Pflichten zu erfüllen hat, wird sehr unterschiedlich gesehen. Moderate Instanzgerichte gehen davon aus, dass ohne konkreten Anlaß keine solchen Pflichten gegenüber erwachsenen Mitbewohnern bestehen. Der Vater würde also nur dann als Störer haften, wenn er Umstände kennt, die auf Rechtsverletzungen hindeuten und er trotzdem nichts unternommen hat.

Andere Gerichte verlangen bereits die anlaßlose Belehrung und im Extremfall, die anlaßlose Überwachung und vorsorgliche Beschränkung des Anschlusses, ggf. auch mit technischen Mitteln. Letzteres geht m.E. zu weit, da nicht von vorneherein angenommen werden muß, dass jegliche Internetnutzung zu Rechtsverletzungen führt. Der Anschlußinhaber ist nicht der Büttel der Rechteinhaber.

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Weiß der Vater aber, dass seine Tochter Filesharing betreibt oder sonstwie fremde Werke herunterlädt, ist er verpflichtet, sie ggf. erneut über die dabei möglichen Rechtsverletzungen zu belehren und auf sie einzuwirken, dass Rechtsverletzungen nicht (mehr) vorkommen.

Im Wiederholungsfall dürfte der Vater zur Vermeidung seiner Störerhaftung verpflichtet sein, den Internetzugang der Tochter so einzuschränken, dass z.B. Filesharing oder intensives Downloaden erheblich erschwert oder unmöglich gemacht wird, entweder durch zeitliche oder softwaremäßige Beschränkung des Zugangs oder Drosselung der Datenraten.

Bei trotzdem noch erfolgenden Rechtsverletzungen der Tochter dürfte der Ausschluß der Tochter von der Internetnutzung, z.B. durch Vergabe eines neuen Passworts am Router, ultima ratio (letztes Mittel) sein.

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Filesharing durch Kinder mit eigenem Anschluß

Fallbeispiel 3: Die Eltern halten nichts vom Internet. Der 18jährige Sohn beauftragt und bezahlt deshalb selbst einen DSL-Anschluss für die elterliche Wohnung. Sind die Eltern damit komplett aus der Haftung?

Der Bundesgerichtshof sagt dazu:
"Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt". Die Eltern sind nicht Anschlußinhaber, so liegt der Gedanke nahe, dass sie für die Tätigkeiten ihres Sohnes nicht verantwortlich sind.

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Sie haben aber die Installation des DSL-Anschlusses erlaubt und damit die Internetnutzung in der Wohnung willentlich ermöglicht. Bei sehr strenger Betrachtung haben sie also in "irgendeiner Weise" die Voraussetzung für eine mögliche Rechtsverletzung geschaffen. Ihre Prüfungs- und Kontrollpflichten wären aber weit geringer als die der Anschlussinhaber. Sie müssen m.E. erst bei Kenntnis oder hinreichend sicherer Vermutung von Rechtsverletzungen des Sohnes belehrend tätig werden, z.B. bei Eintreffen von Abmahnbriefen.

Da der Computer und andere Hardware des erwachsenen Sohnes regelmäßig sein Eigentum sein werden, ist es ihnen rechtlich weder möglich noch zuzumuten hier eine Überwachung oder Kontrolle auszuüben. Im Extremfall- und Wiederholungsfall könnten die Eltern aber verpflichtet sein, die Erlaubnis zur Internetnutzung in der elterlichen Wohnung zu widerrufen.

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