Vorratsdatenspeicherung ist rechtswidrig - Massenabmahnungen damit vorbei?

Soeben hat das Bundesverfassungsgericht in einem der größten Klageverfahren der Geschichte Deutschlands das Urteil in Sachen Vorratsdatenspeicherung gefällt. Die Essenz ist, dass die bisherige Praxis der Vorratsdatenspeicherung und-herausgabe rechtswidrig ist. Aber was ist mit den IP-Daten, welche erst die Filesharingabmahnungen ermöglichen?

In drei parallelen Verfahren zur Vorratsdatenspeicherung hat das BVerfG entschieden, dass die bisherigen Regelungen, insbesondere die Regelungen zu §§113a und 113b TKG und §100g Absatz 1 Satz 1 StPO nichtig sind, da sie gegen Art. 10 Absatz 1 des Grundgesetzes (Telekommunikationsgeheimnis) verstoßen.

Die aufgrund der Einstweiligen Verfügungen (...) gespeicherten Verkehrsdaten sind unverzüglich zu löschen.

Nach BVerfG, AZ: 1 BvR 256/08

Das Bundesverfassungsgericht sieht gleichwohl, dass es schwerwiegende Gründe geben mag, auf Verkehrsdaten zurückzugreifen, obwohl das so mögliche Kommunikationsprofil unter Umständen eine klare Übersicht über sämtliche Aktivitäten einer Person mittels Telekommunikation ermögliche. Der erste Senat erklärt daher, dass für diesen schwerwiegenden Eingriff eine klare und der Schwere des Eingriffs angemessene Regelung gefunden werden muss, zulässig könnte eine solche Regelung etwa bei schweren Straftaten oder zum Schutz von Rechtsgütern mit überragender Bedeutung sein, wenn unter anderem Datensicherheit und Transparenz gewährleistet seien.

Nachdem dies bisher nicht der Fall ist, müssen die von den Behörden angeforderten und sicherheitshalber gespeicherten Daten aufgrund zweier Einstweiliger Verfügungen gelöscht werden. Damit ist bis zu einer Gesetzesänderung die Speicherung von Verkehrsdaten nicht mehr zulässig.

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Massenabmahnungen den Boden entzogen?

Ist damit das Geschäft der Massenabmahnung im Bereich von Film- und Musikfilesharing gestorben? Wohl eher nicht, das Bundesverfassungsgericht läßt die mittelbare Nutzung der Daten, etwa, wem eine IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordnet werden kann, noch zu. Es könnte noch auf die Daten von Nutzern von Filesharingbörsen zugegriffen werden.

Für Auskünfte über die Inhaber bestimmter IP-Adressen, für deren Ermittlung auf vorsorglich gespeicherte Telekommunikationsverkehrsdaten zurückgegriffen werden muss, müssen nicht von Verfassungs wegen die sonst für die Verwendung solcher Daten geltenden besonders strengen Voraussetzungen gegeben sein.

Das liegt zum einen daran, dass nur ein winziger Ausschnitt der Daten angefordert wird und zum anderen daran, dass der Staat nichts von diesen Daten erfährt, sondern nur der Interessent bei nachgewiesenem berechtigten Interesse. Eine solche Datenübermittlung ist nach Ansicht des Gerichts noch zulässig, da hier wesentlich geringere Voraussetzungen zur Datenweitergabe erforderlich sind als bei einer kompletten Weitergabe von Verkehrsdaten.

Leute also, die gerne kostenlos Medieninhalte aus dem Netz beziehen, sollten sich deshalb nach wie vor vergewissern, dass sie damit keine Rechte Dritter verletzen.

Fazit: Die anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten ist nicht per se verfassungswidrig. Der Staat darf diese Daten aber solange nicht herausfordern, wie er keine klaren und verfassungsgemäßen Regelungen zur Herausgabe, Verwertung und Behandlung getroffen hat. Rechtswidrige Nutzungen von Filesharingbörsen können, was den kleinen Ausschnitt der IP-Adresse und des Nutzungszeitpunkts angeht, wohl noch verfolgt werden. Ob und wann eine Gesetzesänderung ansteht, ist derzeit noch offen.

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