Filesharing: Beschluss des OLG Köln stellt bisherige Praxis auf den Prüfstand

In Sachen Filesharing hat der 6. Senat des OLG Köln ausführlich zur oft wenig befriedigenden Gerichtspraxis Stellung genommen.

Die Klägerin, eine Frau, deren Mann kürzlich verstorben war, hatte Prozeßkostenhilfe gegen den Klagevorwurf, über ihren Anschluß sei ein Computerspiel unerlaubt angeboten worden, begehrt. Das hatte das Landgericht wegen angeblich fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt, wir berichteten dazu kürzlich unter Filesharing, Belehrung des Ehegatten erforderlich?.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Das OLG hat in allen Punkten der Verteidigungsstrategie im Rahmen der Gewährung von Prozeßkostenhilfe hinreichende Erfolgsaussichten gesehen. Hierbei kommt es lediglich darauf an, ob die Abwehr Erfolg haben könnte. Dafür reicht es z. B. bereits aus, wenn die jeweiligen Punkte noch nicht höchstrichterlich geklärt sind. Die ungewöhnlich ausführliche Begründung behandelte dabei unter anderem folgende Punkte: Bestreiten der richtigen Ermittlung der IP-Adresse, die Voraussetzungen der Vermutung, dass der Anschlußinhaber der Täter sei aufgrund des BGH-Filesharing-Urteils "Sommer unseres Lebens" und die Beweislast der Klägerin, die Störerhaftung beim Filesharing unter Ehegatten und die Frage der Kostendeckelung im Rahmen des §97a Abs.2 UrhG.

Ermittlung der IP-Adresse

Hierzu führte das OLG aus, dass der beklagte Anschlußinhaber nicht wissen könne, wie die IP-Adresse konkret ermittelt wurde. Er dürfe deshalb zunächst mit "Nichtwissen", §138 Abs. 4 ZPO, bestreiten. Feststellungen aus anderen Verfahren würden die Prozeßbeteiligten nicht binden.

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Vermutung der Täterschaft

Hierzu führt das OLG aus, dass es bereits ausreicht, wenn unbestritten dargelegt wird, dass mindestens eine andere Person den Anschluß berechtigt nutze. Damit entfällt die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlußinhabers, weil es ernsthaft möglich ist, dass die andere Person die Urheberrechtsverletzung begangen hat, zumal der Kläger keinen Beweis dafür angeboten hat, dass die Anschlussinhaberin die Täterin gewesen sei.

Störerhaftung bei Ehegatten

Hierzu erklärte das OLG, dass es bislang zu keiner OLG- oder BGH-Entscheidung darüber gekommen ist, ob Ehegatten sich in einem solchen Fall belehren müssten. Gleichzeitig führte es an, dass es Gründe dafür geben könne, eine solche Belehrungspflicht, wenigstens im Rahmen des Ehegattenverhältnisses, abzulehnen. Damit könne aber auch die Störerhaftung entfallen, wenn die Belehrungspflicht entfällt.

Abmahnkosten, §97a Abs.2 UrhG

Hier verweist das OLG lediglich darauf, dass es auch hierzu keine höchstrichterliche Entscheidung gäbe.

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Fazit: Das OLG hat hier vieles angesprochen, was einer Klärung bedarf. Der vollständige Wortlaut des Beschlusses ist nicht bekannt, aber vielleicht wurden hier weitere Möglichkeiten versäumt: Unklar ist, ob bei der gegebenen Tatsachenlage ein Anspruch aus §19a UrhG überhaupt besteht: Die systematische Einordnung des §19a UrhG (öffentliche Zugänglichmachung) zwischen Vortrags- Aufführungs- und Senderechten setzt voraus, dass irgendetwas Wahrnehmbares beim Empfänger ankommt (Erfolgskomponente). Gerade bei Computerspielen, welche regelmäßig erst vollständig heruntergeladen und dann auf dem Rechner des Empfängers installiert werden müssen, scheidet schon die Möglichkeit der Wahrnehmung aus, wenn nicht alle Dateien des Spiels heruntergeladen sind, denn dann lässt sich das Spiel regelmäßig nicht lauffähig installieren.

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Die Praxis der Rechteinhaber, nur jeweils einen definierten Zeitpunkt, meist eine Sekunde, als ausreichend für eine öffentliche Zugänglichmachung anzusehen, könnte sich als Fehler erweisen, zumal das "Anbieten" in aller Regel mit dem Download einhergeht und damit das vollständige Spiel über einen längeren Zeitraum - je nach Geschwindigkeit des Internetanschlusses eine halbe Stunde oder mehrere Stunden- noch gar nicht vollständig auf "Anbieterseite" vorhanden ist. Gesetzt den Fall, es würde nur ein Teil des Spieles downloadbar sein und man würde §19a UrhG als reines Tätigkeitsdelikt (wie derzeit herrschende Meinung: Anbieten reicht) werten und nicht als Erfolgsdelikt betrachten, wäre eine Urheberrechtsverletzung denkbar, aber dann stellt sich zunächst die Frage nach der Schwere der Verletzung und damit nach §97a Abs. 2 UrhG (Abmahnkosten): Das Spiel ist ohne vollständige Installation nicht nutzbar, eine rechtswidrige Verwertung nicht sinnvoll möglich.

Da sich die Berechnung des Schadenersatzes nach Lizenzanalogie und des Unterlassungsanspruchs, folglich auch des Gegenstandswerts, zudem am vollständig nutzbaren Spiel orientiert, könnten sich hier Nachweisschwierigkeiten auf Seiten der Rechteinhaber ergeben. Es gibt keine tatsächliche Vermutung dafür, dass die öffentliche Zugänglichmachung eines Computerspiels via Filesharing stets das komplette Spiel auf Anbieterseite umfasst, erst recht nicht dann, wenn nur "eine Sekunde" der angeblichen öffentlichen Zugänglichmachung erfasst wird.

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